Nafpaktos - Delphi - Mittelpunkt der Welt
- Holger Schweitzberger

- 2. Juli 2018
- 6 Min. Lesezeit
Das nun schon gewohnte Weckritual wird auch heute morgen eingehalten. Lauthals zwitschern die Vögel um die Wette während ich verschlafen aus dem Fenster auf das Ionische Meer schaue.
Der Tag erwacht gerade, von Regen keine Spur. So kann es losgehen.

Die Wassertemperatur wird mit einem Maximalwert von 14°C angegeben. Leider habe ich keine Badesachen dabei.
Auf Delphi bin ich heute sehr gespannt. Wieviel habe ich schon über das Orakel gehört und gelesen. Übrigens galt Delphi den Menschen in der Antike noch als der Mittelpunkt der Welt. Und da werden wir heute auch stehen. Also, falls man uns sucht, einfach den Mittelpunkt bei google maps eingeben. Schon findet ihr uns.
Der letzte Blick vom Balkon verspricht einen sonnigen Tag.


Nach dem Frühstück packen wir alles in unser Auto und fahren gegen 10:00 Uhr los. Diesmal müssen wir quer durch die Altstadt, da es aber noch früh ist, hält sich der Stau in Grenzen.
Auf Wiedersehen Nafpaktos, du wunderschöne Stadt am ionischen Meer. Uns hat es hier sehr gefallen.
Die heutige Route wird die atemberaubendste der bisherigen Reise werden. Die Strecke beträgt ca. 100 Kilometer, sie führt die meiste Zeit am Wasser entlang und schlängelt sich über Serpentinen durch das Patras Gebirge.
Die Straßen sind, wie auch meist auf Peloponnes, in einem hervorragenden Zustand. Wir sind die überwiegende Zeit allein auf der Straße und können so unsere eigene, langsame Geschwindigkeit bestimmen.
Das Meerwasser leuchtet in verschiedenen Blau- oder Grüntönen, es ist 20°C warm warm und die Sonne scheint ununterbrochen zu uns ins Auto. Heidi kann gar nicht mehr aufhören zu filmen, denn nach jeder Kurve erscheint ein neues Highlight.
Wenn wir etwas bemängeln, dann, das es keine Aussichtspunkte gibt, an denen man parken und die Natur genießen kann.
Ansonsten ist die gesamte Route ein - wie die Amis sagen würden: Scienic Byway.
Kurz vor Delphi wird es noch einmal heftig: die Serpentinen erlauben nur noch eine Geschwindigkeit von 10-20 km/h. So eng sind die Kurven, oft fast 180°. Ich liebe es.
Nach knapp zwei Stunden passieren wir den Ortseingang von Delphi. Jetzt ist es ziemlich voll, die meisten Autos haben das gleiche Ziel wie wir: die archäologische Stätte Delphi.
Parkplätze existieren nur ganz, ganz wenige. Hier ist jetzt Eigeninitiative gefragt. Überall, wo ein Auto stehen kann ohne nicht die gesamte Straße zu versperren, wird geparkt.
Wir ergattern einen Platz der sich 300 Meter vom Eingang befindet. Direkt an einem Berg und in verkehrter Richtung. Perfekt griechisch also.
Der Eintritt beträgt 12€ pro Person, es ist allerdings nur eine Kasse geöffnet, dementsprechend verzögert sich alles etwas.
Gefühlt 30 Reisebusse haben ihre Insassen zusätzlich noch mit in das Gedränge ausgespuckt, so dass es gerade im Eingangsbereich etwas chaotisch zugeht.
Vor uns laufen vier Deutsche, von denen eine Frau aller Wahrscheinlichkeit Geschichtslehrerin ist oder war. Sie erklärt ihren Freunden jedenfalls die Geschichte der einzelnen Ruinen und wir können eine gewisse Zeit davon partizipieren. Dann trennen uns leider unsere Wege und wir sehen sie erst am Ende des Rundkurses wieder.
Hatte ich eigentlich erwähnt, dass all die Paläste, Stadien und Bauten in den Hang des Gebirges gesetzt sind?
Wir fühlen uns wie in Petra, denn wie immer geht es erst einmal bergauf. Und zwar richtig bergauf. Und das zur Mittagshitze und unzähligen drängelnden Schulklassen im Rücken.
Doch was wir sehen entschädigt für alle Mühen. Wie Mauern schnurgerade mit großen Quadern erstellt werden konnten, die zusätzlich noch waagerecht und ohne Fugenabstand daher kommen, wird mir immer ein Rätsel bleiben.
Wir stehen erhaben vor dem Tempel von Apollon und können uns anhand der Bilder die daneben stehen, vorstellen wie er in seiner ganzen Pracht ausgesehen haben muss.
Hier wurden die Orakel zur damaligen Zeit durchgeführt und sie trugen sich folgendermaßen zu:
Das Orakel von Delphi gab zunächst nur einmal im Jahr am Geburtstag des Apollon Auskunft, dem siebten Tag des Monats Bysios, später am siebten Tag jedes Monats im Sommer. Im Winter legte es für drei Monate eine Pause ein. Nach griechischer Vorstellung hielt sich der Gott in dieser Zeit bei den Hyperboreern auf, einem sagenumwobenen Volk im Norden. Das Orakel wurde währenddessen von Dionysos regiert.
Bevor das Orakel sprach, bedurfte es eines Omens: Ein Oberpriester besprengte eine junge Ziege mit eiskaltem Wasser. Blieb sie ruhig, fiel das Orakel für diesen Tag aus, und die Ratsuchenden mussten einen Monat später wiederkommen. Zuckte die Ziege zusammen, wurde sie als Opfertier geschlachtet und auf dem Altar verbrannt. Nun konnten die Weissagungen beginnen: Begleitet von zwei Priestern begab sich die Pythia zur heiligen Quelle Kastalia, wo sie nackt ein Bad nahm, um kultisch rein zu sein. Aus einer zweiten Quelle, der Kassotis, trank sie dann einige Schlucke des heiligen Wassers. Begleitet von zwei Oberpriestern und den Mitgliedern des Fünfmännerrates ging die Pythia anschließend in den Apollontempel. Sie wurde nun vor den Altar der Hestia geführt, wo – nach einigen Theorien – aus einer Erdspalte die berauschenden Dämpfe aufstiegen, so dass sie ihre Weissagungen in einer Art Trance gemacht hätte.
An oberster Stelle der Anlage bindet sich das Stadion. Es ist etwas modernen als Olympia, allerdings auch bedeutend jünger. Wir erreichen diesen Punkt nach einer schweißtreibenden Klettertour und sind froh endlich angekommen zu sein.
Die Zuschauer hatten hier die Möglichkeit auf Stufen zu sitzen, nur die Jury hatte auch Rückenlehnen.
Es wurden auch hier sportliche Wettkämpfe durchgeführt, sie waren für die Hellenen die zweitwichtigsten nach Olympia.
Leider ist ziemlich viel abgesperrt, so dass man viele Details nicht genau erkennen kann. Das war vor einigen Jahren wohl noch anders.
Wir bepacken unsere Kamera und den Selfiestick und machen und auf die Rücktour. Knapp zwei Stunden waren hier. Das nächste Mal wäre ich ganz früh am Start, dann sind die Busse noch nicht da und es ist nicht so warm.
Was sollte man beachtet? Es gibt in der Anlage keine Toiletten. Das kann für eine Personen schon ganz schön schwierig werden.
Auf jeden fall ist Delphi eine Reise wert, wer will kann mit seiner Eintrittskarte auch noch das Museum besuchen, wir allerdings leiden unter Fußschmerzen und verzichten deshalb.
Am Auto angekommen werfe ich das Navi an und lasse uns zum Hotel leiten. Allerdings wird mir eine komische Route vorgeschlagen. Ich hätte ja einfach nur gewendet und wäre nach Delphi zurück gefahren, aber egal. Wir fahren eine enge Straße abseits der Hauptroute immer mehr in den Berg hinein und herunter bis es nicht mehr weiter geht.
Dachte ich mir es doch, also schnell gewendet und wieder zurück. Und wie wir so fahren kommt plötzlich ein freilaufender Esel aus einem Nebenweg. Zum Glück können wir bremsen. Das wäre ja lustig geworden.
Wir parken gegenüber des Hotels. Besetzen damit 3/4 des Gehweges, aber das machen ja alle hier so. Sonst würde man auch keinen Platz zum Parken finden.
Unser Zimmer ist schon bezugsfertig. Es ist wunderschön, mit einem Balkon und gleichzeitigen Blick aufs Meer und die Berge.


Wir erhalten noch ein Erfrischungsgetränk: kalten Taubensaft mit Anisgeschmack. Sehr zu empfehlen.
In unserer unmittelbaren Umgebung (20 Meter) befinden sich drei Tavernen. Wir wollen aber in die Innenstadt und haben auch schon direkte Vorstellungen.
Auf dem Weg dahin lädt ein Hotel nach dem anderen zum Übernachten ein. Alles ist sehr gemütlich, viele Blumenkübel zieren den Weg. Selbst auf dem Dach unseres gegenüberliegenden Haus stehen unzählige von ihnen mit den schönsten Blumen.
Wir kehren in die Taverne Dion mitten in der Altstadt ein. Wir bestellen zwei Menüs, eins mit Moussaka, Souvlaki und Dessert, das andere mit Pita und Bifteki.
Dazu natürlich Zaziki und Wein.
Heute erleben wir wohl das schlechteste Restaurant unserer Reise. Das liegt sicher auch daran, dass die Bedienung sehr unfreundlich und er Weißwein lauwarm ist. Außerdem ist die Pita keine Pita sondern Pitabrot.
Der Zaziki allerdings ist wunderbar, nach Knoblauch ist diesmal auch frischer Dill enthalten. Ganz klar ein Daumen hoch.
Auf einen Ouzo oder Trinkgeld verzichten wir allerdings diesmal.
Wir merken, dass wir uns in den Bergen (700m üM) befinden. Das Wetter schlägt schnell um, es wird nun merklich kühler und windiger, aber wir haben ja auch dicke Sachen dabei. So sitzen wir gewärmt auf unserem Balkon und trinken den letzten Wein aus Kalamata.


Kurz bevor ich mich zur wohlverdienten Siesta zurückziehe gehe ich noch einmal auf den Balkon und sehe einen, oder besser gesagt zwei unglaubliche Regenbogen.

20 Uhr begeben wir uns noch einmal vor die Tür. Wir testen die Taverne gleich neben uns, so haben wir es nachher nicht so weit. Sie heißt Gargadoyas und nach einer Minute sind wir da.
Wir bestellen Zaziki, Wein, Käse und Gyros. alles schmeckt sehr gut, der Wirt ist im Gegensatz zu heute Mittag sehr nett.
Als er erfährt, dass ich bei der Auswahl des Ouzos eine rankingliste erstelle, rät er mir von den Standardmarken ab und schlägt einen Ouzo eines lokalen Herstellers vor. Und das war eine gute Entscheidung. Er schmeckte uns bisher am Besten.
Genau wie das Gyros, noch nie habe ich ein so saftiges Schweinefleisch gegessen.
Nach dem obligatorischen Joghurt aufs Haus, begeben wir unser kleines, aber feines Hotel und legen uns schlafen.
Morgen geben wir schon unser Auto ab und fahren dann mit der U-Bahn nach Athen. Dort beziehen wir dann am Syntagma Platz Quartier und feiern Heidis Geburtstag.







































































Kommentare