Fahrt durch die Berge - Jerash
- Holger Schweitzberger
- 24. Nov. 2021
- 7 Min. Lesezeit
6:30 Uhr - Goooooood mooooorning Dead Sea
Das Tageslicht findet die kleinste Lücke, um durch den Fenstervorhang in unser Zimmer zu gelangen. Aber das ist nicht der Grund unseres abrupten Schlafentzugs. Es sind die Rentner der Reiseagentur Lebenslust, die dummerweise in unser Nebenzimmer einquartiert wurden. Also Teile von ihnen. Im Rudel waren sie gestern schon lautstark im breitesten sächsisch bei ihrem Bad im Toten Meer bis Israel zu hören. Heute früh geht der Spaß weiter.
Heute fahren wir weiter in Richtung Norden nach Jerash.
Das antike Gerasa, heute Jerash (gesprochen: Dschirasch), liegt ca. 40 km von der Hauptstadt Amman entfernt und war Teil der sogenannten Dekapolis. Sie hat etwa 40.000 Einwohner und ist Verwaltungszentrum des Gouvernement Dscharasch. Die Ruinen der römischen Stadt blieben Jahrhundertelang unbewohnt, bis sie 1806 vom deutschen Reisenden Ulrich Jasper Seetzen wiederentdeckt wurde. Heute sind sie eine der wichtigsten Touristenattraktion Jordaniens.
Nach 1878 siedelten sich unter den Osmanen vertriebene Tscherkessen an, die hier eine neue Heimat finden. Nach der Unabhängigkeit Jordaniens 1946 und nochmals nach dem Sechstagekrieg siedelten sich vorwiegend aus Syrien und Palästina stammende Flüchtlinge außerhalb der historischen Ruinen an.
Die antike Stadt Gerasa war Teil der sogenannten Dekapolis; die gut erhaltenen Ruinen sind heute eine Touristenattraktion. Die moderne Stadt hat etwa 40.000 Einwohner und ist Verwaltungszentrum des Gouvernement Dscharasch.
Vorher müssen wir uns aber noch stärken und unsere Hummustestreihe fortsetzen. Der Frühstücksraum befindet sich in der zweiten Etage und ermöglicht einen Blick auf die Poollanschaft des Hotels und das Tote Meer.
Das Frühstück ist exzellent, der Hummus schafft es auf Platz 2, unserer nach oben offenen Hummusskala.

Auf dem Weg zum Checkout stolpern wir fast über zwei Koffer, die Anhänger daran verraten es - Lebenslust. Ich ahne Böses.
Im Foyer sitzt bereits die ganze Clique und wartet auf ihren Weitertransport. Ich raune Heidi zu, dass sie uns ganz sicher in Jerash über den Weg laufen werden. Heidi lacht.
Nach Jerash führen vom Toten Meer aus mehrere Wege. Wir entscheiden uns wieder für die längere Version. Sie führt an der israelischen Grenze entlang und führt durch viele Ortschaften.
Das Navi will aber partout keine Route einstellen wie ich es wünsche. Immer werden wir durch Amman geleitet. Darauf habe ich heute aber noch keine Lust und so muss ich einen Zwischenstopp einprogrammieren, damit alles zu meiner Zufriedenheit angezeigt wird. Geht doch.
Nach zwei Kilometern endet das Tote Meer und damit auch unser letzter Blick auf Wasser. Unserer Meinung lohnt sich der Aufenthalt am Toten Meer nur, wenn man auch in ihm baden will. Ansonsten ist hier nichts zu sehen, auch die nächsten Orte sind weiter entfernt und nicht sehr attraktiv. Man ist also wohl oder übel in einem Hotelkomplex isoliert - das kann man auch woanders haben.

Wir empfinden dass der Norden dichter besiedelt ist als der Süden. Dadurch ist auch mehr Verkehr, der stärker zunimmt, je nördlicher wir kommen. Auch die Städte, die wir ob ihrer weißen Häuser schon weit vorher erkennen, erscheinen größer. Viel größer sogar. Man könnte meinen man stehe vor Amman.
Stehen wir auch. Ich habe vergessen beim Navi den Zwischenstopp in die richtige Reihenfolge zu setzen. Er steht aber an letzter Stelle. Egal, nun sind wir schon einmal hier, also lassen wir uns von Amman überraschen.
Die Straßen werden drei-vierspurig und sind voll. Markierungen sind nur schemenhaft zu erkennen und so fährt jeder in der Bahn die e für richtig hält. Das macht viel Spaß und ich fühle mich wie beim Autoscooter.
Das was wir von der Stadt während der Fahrt sehen, steigert unsere Vorfreude auf morgen. Pulsierendes Leben auf den Straßen wohin das Auge blickt.
Nach 30 Minuten sind wir wieder fast allein, Amman liegt hinter uns und nachdem ich den Zwischenstopp editiert habe geht es im gewünschten Reiseverlauf weiter.
Wir erreichen as-Salt, und müssen uns durch die in beiden Richtungen geparkten Autos schlängeln. Fasziniert betrachten wir das Treiben der Händler und Menschen, die bunten Seitengassen und die vielen Marktstände. Hier müssen wir unbedingt anhalten um das etwas länger zu genießen.
As-Salt (Salt), eine Stadt im Gouvernement al-Balqa. Sie liegt an der alten Hauptverkehrsstraße, die von Amman nach Jerusalem führt und hat knapp 100.000 Einwohner. Zu ihren Sehenswürdigkeiten zählen die alten osmanischen Villen der Stadt sowie römische und islamische Gräber. Die Altstadt von as-Salt wurde 2021 in das UNESCO-Welterbe eingeschrieben.
Wir finden schließlich einen Parkplatz und mit der Kamera bewaffnet, machen wir uns auf den Weg. Es duftet herrlich nach allen Arten von Kräutern und Gewürzen. Überall werden wir begrüßt, die Schulkinder kichern wenn sie uns sehen, versuchen dann aber doch ein, zwei Worte in englisch an uns zu richten und freuen sich, wenn wir antworten.
Zum ersten Mal spüren wir in Jordanien das Iran-Feeling. Die Gerüche und die Art der Menschen lassen alte Erinnerungen erwachen.
Vor einem Laden stehen zwei riesige Gewürzmühlen. Er ist gut besucht, also gehen auch wir hinein.
Eigentlich ist es eher ein kleiner Supermarkt, aber mit einer Gewürz- und Nussabteilung. Während wir die vielen Arten von Pistazien bewundern, bekommen wir erst einmal Bonbons zum Probieren zugesteckt.
An der Gewürzabteilung frage ich nach dem schon bekannten Satr. Der Verkäufer spricht aber wahrscheinlich kein so perfektes arabisch wie ich und so versteht er mich natürlich nicht. Eine Person spricht aber immer englisch - so auch hier.
Gemeinsam lösen wir mein Problem und ich kann zwischen drei Varianten dieses Gewürzes wählen. Ich nehme von zweien jeweils eine Portion für 3 JDI, 3,60 €. Das werden ganz schön große Packungen, stelle ich dabei fest. Heidi bekommt schon wieder Schokolade.
Dann ziehen wir mit unserem Übersetzer noch einmal zu den Nüssen. Wir müssen alles probieren und entscheiden und für zwei Sorten Pistazien, deren Geschmack in den eigenen Röstmaschinen verfeinert wurde. Eine Sorte ist BBQ, die andere habe ich schon wieder vergessen. Zusätzlich sind noch Cashewkerne und andere Nüsse in der Mischung enthalten. Wir ordern jeweils 500 Gramm und verlassen voll bepackt das Geschäft.
Schweren Herzens verlassen wir Salt, aber wir wollen ja noch frühzeitig Jerash erreichen um das Archäologische Museum zu besuchen. Der Weg dahin ist bergig, wir passieren viele Serpentinen und einige Städte mit chaotischen Autoverkehr. Aber auch hier wird kaum gehupt, und jeder Stau löst sich nach kurzer Zeit auf. Lustig sind nur die Straßen die manchmal mit einer 30%igen Steigung bergauf führen. Dann sieht man nichts und kann sich deshalb auch nicht sicher sein was einem hinter dem Hügel erwartet.
Aber ok, das kann man auch so nicht. Es ist keine Seltenheit, dass auf einer drei-spurigen Straße die linke Spur vom Gegenverkehr genutzt wird. Shit happens. Auch fahren die LKWs gern links oder in der Mitte, je nach dem wo sich die besten Straßenverhältnisse befinden. Mitdenken ist also angesagt.
Unsere Unterkunft in Jerash ist schnell gefunden. Heute übernachten wir in einem einfachen Hostel. Wir haben ein Zimmer mit Balkon und die Aussicht ist genial. Wir haben Blick auf die Altstadt und das Gebiet des Archäologischen Museums.



Wir werfen nur unsere Sachen ins Zimmer und machen uns sofort auf Weg zum Museum. Das ist in zwei Autominuten erreicht, der Parkplatz dort ist kostenfrei.
Das Archäologische Museum von Jerash wurde 1923 in einem der Gewölbe des Innenhofs des Artemis-Tempels gegründet. Es widmet sich heute ausschließlich Funden aus der Region Jerash und seine Sammlungen umfassen die archäologischen Epochen der Region, von der Jungsteinzeit bis zur Mamlukenzeit.
Das Museum beherbergt neben Edelsteinen, Figuren und Statuen, Stein- und Marmoraltaren und Mosaiken große Sammlungen von Keramik, Glas, Metallen und Münzen.
Im Garten des Museums sind neben Marmorstatuen und Steinsarkophagen griechische und lateinische Monumentalinschriften ausgestellt. Jerash war eine der Städte der Dekapolis. Sie gilt als eine der größten römischen Provinzstädte mit gut erhaltenen römischen Tempeln, gepflasterten Straßen, Theatern, Brücken und Bädern. Die Stadt verfügt auch über gut erhaltene monumentale architektonische Teile: das Monumentale Tor, das Nymphäum und das Hippodrom. Aus byzantinischer Zeit gibt es 18 Kirchen, von denen die meisten Mosaikböden haben. Die Stadtmauer mit vier Toren ist an vielen Stellen noch erhalten.
Der Eintritt kostet 10JID pro Person, im Jordan Pass ist der Eintritt inkludiert. Bevor man jedoch das eigentliche Visitors Center erreicht, muss man sich durch einen Souvenirshop kämpfen, in dem zu viele Händler um zu wenig Kunden werben. Hier wird man überall angesprochen und genötigt zu kaufen. Meist Produkte "Made in China".
Nach dem Spießrutenlauf erwartet uns dann die riesige Fläche der antiken Stadt Gerasa.
Sie steht nach Petra an zweiter Stelle auf der Liste der beliebtesten Reiseziele in Jordanien und verweist auf eine ununterbrochenen Kette menschlicher Besiedlung, die mehr als 6.500 Jahre zurückreicht.
63 v. Chr. von General Pompeius erobert, kam sie unter römische Herrschaft und war eine der zehn großen römischen Städte der Dekapolis-Liga.
Das goldene Zeitalter der Stadt wurde unter römischer Herrschaft erreicht, während dieser Zeit war sie als Gerasa bekannt, und die Stätte gilt heute allgemein als eine der am besten erhaltenen römischen Provinzstädte der Welt. Jahrhundertelang im Sand versteckt, bevor sie in den letzten 70 Jahren ausgegraben und restauriert wurde. Jerash ist ein schönes Beispiel für den großartigen, formalen provinziellen römischen Urbanismus, der im gesamten Nahen Osten zu finden ist, bestehend aus gepflasterten und von Kolonnaden gesäumten Straßen, hoch aufragenden Tempeln, schönen Theatern, weitläufige öffentliche Plätze und Plätze, Bäder, Brunnen und von Türmen und Toren durchbrochene Stadtmauern.
Unter seinem äußeren griechisch-römischen Furnier bewahrt Jerash auch eine subtile Mischung aus Ost und West. Seine Architektur, Religion und Sprachen spiegeln einen Prozess wider, durch den zwei mächtige Kulturen ineinander flossen und nebeneinander existierten - die griechisch-römische Welt des Mittelmeerraums und die Traditionen des arabischen Orients.
Östlich der Ruinen befindet sich die moderne Stadt Jerash. Während sich Alt und Neu eine Stadtmauer teilen, hat sich die Stadt durch sorgfältige Erhaltung und Planung weit von den Ruinen entfernt entwickelt, so dass die alten Stätten nicht beeinträchtigt werden.
Die Ruinen sind derart gut erhalten, dass man sich genau vorstellen kann wie es früher hier einmal aussah. Ich möchte am liebsten eine Brille aufsetzen die mir eine Zeitreise in diese Epoche erlaubt, um das öffentliche Leben zu beobachten und zu erleben.
Da ich aber nur eine einfache Gleitsichtbrille besitze, die einzig und allein die Realität widerspiegelt, sehe ich ganz andere Dinge. Wie zum Beispiel Lebenslust. Wie Heidi heute morgen versprochen, rollt uns nun die ganze Karawane der Silberköpfe (ich weiß, bin ich selber...) entgegen. Unsere sächsischen Freunde. Zum Glück verläuft sich hier alles.
Die jetzige Zeit ist für einen Besuch im November die ideale. 15:00 - 17:30 Uhr. Die Sonne steht nicht mehr so hoch und ermöglicht dadurch wunderschöne Bilder, da die meisten Ruinen nun im perfekten Licht stehen.





An allen Hauptattraktionen stehen meist zwei Händler die ihre Souvenirs anbieten. Sie zeigen den Besuchern die besten Plätze für Fotos und sind selbst Weltmeister der Smartphonefotografie. Und ganz zufällig lotsen sie einen zu ihrem Tisch der Hässlichkeiten. Sie tun uns schon leid, aber wir sind die falschen Ansprechpartner. Das sagen wir vorher auch immer - aber uns wird nicht geglaubt.






Uns gefällt es hier richtig gut und wir sind traurig als wir alles besichtigt haben. Aber da die Sonne sowieso gleich verschwindet, ist es die Gelegenheit um essen zu gehen.
Nochmals Fragen ignorierend durch den Shop und ab ins Auto. Ziel ist das Lebanese Um Khalil Restaurant. Nur vier weiter Fahrminuten und wir haben es schon erreicht. Ein wunderschönes Haus mit tollem Ambiente und Blick auf die Stadt. Wir sitzen auf der Terrasse und genießen als erstes den süßen Shishaduft, der von den Tischen zu uns weht.n
Wir entscheiden uns für drei Mezze - Hummus, Falafel und Spinat, sowie als Hauptgang Kebap und die Mixed Grill Platte.





Es schmeckt alles hervorragend und einstimmig hat der Hummus den ersten Platz im Ranking eingenommen.
Nach einem Tee und einem Pudding aufs Haus fahren wir wieder zu unserer Unterkunft zurück. Wir setzen uns noch einmal auf den Balkon und trinken eine Tasse Rotwein, um dann todmüde ins Bett zu fallen.

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