Ajloun Castle - Tabaqat Fahl - Amman
- Holger Schweitzberger
- 23. Nov. 2021
- 6 Min. Lesezeit
2:30 Uhr - Goooooood mooooorning Allah.
Diesmal ohne Spaß. Zu nachtschlafender Zeit liefern sich die Muezzins aus unserer Umgebung einen Wettkampf wer am lautesten und längsten predigen kann.
Vorsichtshalber schaue ich nach rechts, aber Gott sei Dank, es liegt nicht wie befürchtet ein Prediger neben mir. Nur Heidi. Aber sie schläft.
Ich überlege ob ich sie nicht wecken soll, damit sie die Freude des melodischen Gesangs mit mir teilen kann.
Schließlich verwerfe ich den Plan, sicher ist sicher.
6:00 Uhr kann ich den wunderschönen Sonnenaufgang über der Stadt beobachten. Es sind schon 12°C, der Wetterbricht sagt 22°C voraus. Sehr angenehm.

8:00 Uhr gibt es Frühstück. Da wir so früh wie möglich weiter fahren wollen, sind wir pünktlich auf der Terrasse. Und warten. Und warten. Und warten.
Die französische Familie, die neben uns sitzt, ist wahrscheinlich auch an einer Reiseoptimierung interessiert und schaut alle fünf Minuten , ob sich in der Küche etwas tut.
Das ist auch der Fall, nur lassen sich die beiden 70-jährigen dort, beim Vorbereiten der Mahlzeit, nicht aus der Ruhe bringen.
8:35 Uhr erhalten wir als erste das Essen. Arabisches Frühstück - und das hier schmeckt sehr gut. Hummus: Platz 3.

Das Gepäck haben wir schon vorher im Auto verstaut, also können wir nun gleich los.
Der erste Zielpunkt ist heute die Burg Ajloun, knapp 20 Kilometer von uns entfernt. Einen Teil der Strecke haben wir bereits gestern bei der Hinfahrt kennengelernt. Google kommt bei einigen kleinen Städtchen doch manchmal ins Schwimmen.
So führt sie uns heute z.B. einen großen Berg hinab, auf dem uns viele Autos mit Lichthupe entgegen kommen. Da die Straße durch die parkenden Autos sehr eng ist, denke ich, das mir so signalisiert wird, dass ich fahren soll. Das kommt mir ja in Jordanien ganz neu vor. Aber ich nehme das Angebot gern an. Bis mir ein Fahrer sagt, dass wir in einer Einbahnstraße gelandet sind. So ganz ohne Verkehrszeichen, die hier übrigens sowieso sehr rar gesät sind.
Also muss ich wenden und fahre nach Instinkt den vermutlich richtigen Weg. Und das klappt auch. Wir beobachten sowieso seit einiger Zeit, dass google uns gern durch enge Madegassen führt, statt einfach auf der schon befahrenen Straße zu bleiben. Aber so sehen wir jedenfalls auch die verwinkelten Gassen und deren Häuser.
Der Ausschilderung zum Ajloun Castle ist wieder mehr als suboptimal, aber nachdem wir gefühlt jeden m2 der näheren Umgebung von ihm gesehen haben, kommen wir am Parkplatz an.
Es ist noch schön leer, als wir den Weg hinauf nehmen. Ein Guide spricht uns an, ob er uns einiges erklären soll. Wir willigen ein, da uns zu Ajloun das komplette Hintergrundwissen fehlt.
Die Festung wurde vom Sultan Saladin errichtet und von seinen Nachfahren weiter ausgebaut. Ähnlich wie auch bei unseren Burgen, wurde sie auf einem Berg errichtet um uneinnehmbar zu sein. Dieser Plan scheint auch aufgegangen zu sein, nie wurde diese Burg von Fremden erobert.
Sie überstand zwei Erdbeben, wobei ein Teil vollkommen zerstört wurde. Es gibt nur einen Eingang, den man nur über einen Grabe und eine Zugbrücke erreichen kann. Schießscharten in den Wänden gaben dem Sultan ein gewisses Maß an Sicherheit und den Soldaten die Möglichkeit ihre Gewehre auf Feinde zu richten.
Auf der oberen Plattform stehend ist jedoch das Highlight zu bewundern. Jedenfalls für mich. Hier besteht die Möglichkeit bei klarem Wetter, einen Blick auf die angrenzenden Länder und Orte zu werden.
Wir sehen Syrien, Irak, Israel, Palästina sowie die Westbank, Nazareth und Jerusalem. Die Grenze zu Israel ist nur 20 Kilometer entfernt.
Wie erfahren viel über die Geschichte Jordaniens, die Orte an denen Jesus verweilte und viele andere Dinge die ich mir nicht merken konnte.
Unser Zeitplan kommt durch die detaillierten und interessanten Ausführungen etwas ins Stocken, aber das nehmen wir gern in Kauf.
Ich werde nach unserem heutigen Plan gefragt und ich offeriere ihm unsere geplante Route. Ich werde dafür gelobt mit der anschließenden Frage, ob er uns begleiten soll, er könnte uns gern alles erklären.
Aber dann wären wir wohl heute noch dort und nicht wie geplant in Amman. Wir lehnen dankend ab und machen uns, nach einem kleinen Trinkgeld auf die Weiterfahrt.
Unser nächstes Ziel ist Pella - 40 Kilometer weiter. Die Gegend ist hier für jordanische Verhältnisse sehr grün, in vielen Orten sieht es jedoch meist wie nach einem Bombeneinschlag aus. Viele Häuser sind noch im Rohbau oder verwahrlost, Plastikmüll fliegt durch die Gegend und das Wüstengeröll das überall liegt manch die Szenerie nicht schöner.
Pella besitzt eine der ältesten Kirchen der Menschheit und eine antike Ausgrabungsstätte. Und die wollen wir uns jetzt anschauen. Auch hier verfahren wir uns erst einmal, da auch hier die Ausschilderung mehr als suboptimal ist.
Der Parkplatz ist sehr klein, aber leer. Es ist jetzt um die Mittagszeit und die Sonne brennt unerbittlich. Obwohl heute nur 22°C sind, kommt es uns vor wie 30°C.
Wie immer in Jordanien müssen wir einen Berg hinab steigen um zu Eingang zu gelangen. Der Eintritt ist übrigens wie auch bei Ajloun mit dem Jordanpass abgegolten.
Die Fläche der Ausgrabungsstätte ist riesig und die einzelnen Exponate allerdings sehr weit auseinander. Und noch einmal gefühlte 100 Höhenmeter tiefer. Die müssten wir ja auch alle wieder hoch laufen. Und da wir gerade ein ermattetes Pärchen mit hängender Zunge hochsteigen sehen, beschließen wir alles mit dem Fernglas zu betrachten. Haben wir doch bereits in Jerash ähnliches bewundern dürfen.
Es ist gegen 13:30 Uhr und wir stellen fest, dass wir in diesem Tempo entweder erst 20:00 Uhr in Amman ankommen oder aber nicht alle geplanten Orte anschauen können.
Da das lange Fahren auf den engen Straßen und in den engen Orten sehr anstrengend ist und man sich auch nur langsam fortbewegen kann, entschließen wir uns jetzt nach Amman zu fahren. Vielleicht entgehen wir ja sogar der Rushhour.
Gesagt getan, das Navi gibt als Ankunftszeit 15:30 Uhr an, einen Wert den es ab jetzt tu unterbieten gilt. Wozu sind solche Zeitangaben denn sonst nützlich.
Nach einem Tankstopp geht es auf der Route 35 südlich Richtung Amman. Wir passieren dabei noch einmal Jerash und merken wie sich die Straße mehr und mehr mit Autos füllt.
Drei Kilometer vor unserem Ziel kommt der Verkehr dann endgültig zum Erliegen. Vierspurig stauen wir uns in Richtung Innenstadt. Polizei regelt den Verkehr, aber nur in der Art, dass sie manchmal den Verkehr eine Spur stoppt und später wieder frei gibt. Allerdings immer die selbe Spur.

Das Fahren in und aus dem Kreisverkehr ist schon cool. Von allen Seiten strömen die Autos heran, man muss einfach nur fahren, dann kommt man auch an seine gewünschte Ausfahrt. Und hupen! Das ist ganz wichtig, damit andere Verkehrsteilnehmer auch wissen dass man gleich angerollt kommt. Wir haben sogar ein paar Autos gesehen die geblinkt haben. Hätten wir mal fotografieren sollen, glaubt uns ja sonst keiner.
Selbst der schönste chaotische Verkehr geht einmal zu Ende und so stehen wir, nach ein paar Ehrenrunden, vor unserem Hotel. Wir erwischen sogar einen Parkplatz direkt davor, aber es stehen auch Tiefgaragen zur Verfügung.
Wir checken ein, das Appartement befindet sich im Erdgeschoß und lassen uns erschöpft nieder. Vorher stellen wir aber das Bier für den Abend kalt.
Nach eine fünfminütigen Siesta ziehen wir in Richtung Innenstadt los. Über die Rainbow-Street geh es zum Gemüsemarkt. Und IMMER bergauf. Ich schwöre. Wir schwitzen und sind uns einig dass wir uns in Amman zukünftig nur mit dem Taxi irgendwo hinfahren lassen. Öffentlicher Nahverkehr findet nur mit vereinzelnden, vollen Bussen statt.
Wir stehen in Downtown Amman und bestaunen die Menschenmassen die sich auf den engen Straßen drängeln. In der Khirfan Street befindet ist ein Geschäft neben dem anderen und der Eingang zum Souk, dem angeblich ältesten in Jordanien.
Dort wird gefeilscht, Ware angepriesen, gekauft und gegessen. Ein herrlicher Ort, auch wenn mir die Basare im Iran besser gefielen. An den Gewürzständen bleiben wir immer ein bisschen länger stehen und atmen lange diese herrlichen Gerüche ein. Wir kommen uns wieder vor wie in 1001 Nacht.











Das römische Theater befindet sich in Wurfweite von uns, ebenso die König-Abdullah-I-Moschee. Ein Prachtbau, den wir wie auch das Theater morgen besichtigen wollen.
Wir trinken einen Granatapfelsaft für unglaubliche 50 Cent und machen uns zeitgleich auf die Suche nach etwas Essbaren. Das ist gar nicht so einfach, denn wir finden hier, bis auf ein paar Imbissstände, einfach nichts. Irgendwann haben wir aber Glück, in einer ersten Etage sehen wir Lampen und Menschen und Restaurantreklame.
Wir haben einen schönen Platz mit direktem Blick auf die verstopfte Straße, auf der sich die Autos ins islamische Wochenende stehen. Und hupen.
Wir erfrischen uns mit köstlicher Minzlimonade und essen Kebap. Heidi mit Tahin, ich oldschool. Um uns herum sitzen die Gäste und rauchen duftende Shishas.
Der Verkehr wird nicht weniger, deshalb gehen wir zu einer leeren Ecke, an der wir ein Taxi anhalten können, das hier auch gleich abbiegen kann.



Werden wir sonst jede Minute von einem freien Taxi angehupt, ist das jetzt natürlich nicht der Fall. Murphy's Law.
Aber dann doch, eins hält, ich zeige die Adresse und er nickt. Wir verhandeln der Preis und los geht's. Allerdings benötigt er mein Navi um sich zurecht zu finden.
Er fragt uns nach unserem Herkunftsland. Und bei Germany bekommen alle Jordanier immer feuchte Augen und freuen sich.
Über Spotify sucht er extra deutsche Musik für uns - wenn auch grässliche - und freut sich dass wir sie kennen und mit singen.
"We are not in Amman, we are in Berlin. I am a cabdriver in Berlin. Hahahahha!" So seine Worte und er bekommt einen Lachflash. Und verfährt sich.
Seine Tochter ruft ihn noch an und er will, dass sie mit uns redet. Aber sie kann weder englisch und französisch. Da legt er auf und ärgert sich: "Da geht sie auf die Universität und kann keine Fremdsprachen."
Er liefert und jedenfalls wohlbehalten im Hotel ab und steckt mir noch seine Karte zu. "Wenn ihr ein Taxi braucht, ruft mich an", raunt er mir augenzwinkernd zu.
Auf dem Weg zum Zimmer beschleicht mich das Gefühl, dass die Preisverhandlung mit ihm wohl nicht optimal für mich gelaufen sind.
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