Wadi Rum - Desert & Stars
- Holger Schweitzberger
- 26. Nov. 2021
- 8 Min. Lesezeit
5:53 Uhr - Goooooood mooooorning Wadi Rum.
Was war das für eine Nacht! Wir konnten kaum einschlafen, da wir immer den Himmel beobachteten um zu sehen, wie sich das Firmament immer wieder änderte. Ab und zu erkannten wir auch wieder ein Sternzeichen. Oder taten so.
Ich stehe auf und muss mir gleich noch einmal die Fotos von gestern Abend anschauen. Ich bin noch immer beindruckt und freue mich, dass ich so etwas sehen durfte.


Wir packen unsere sieben Sachen und bereiten einen Campingbeutel für die heutige Übernachtung in der Wüste zusammen. Danach begeben wir uns zum Frühstück. Das Hummus belegt leider nur den bisherigen letzten Platz. Aber es war trotzdem essbar.

9:00 Uhr ist Treffpunkt im Wadi Rum Village für unsere Wüstentour. Der Shuttle des Bubblehotels, dem wir hinterher fahren müssen um aus der Wüste wieder hinaus zu kommen startet 8:00 Uhr. Das passt zeitlich ganz gut, benötigen wir doch laut google für die Strecke 35 Minuten.
Natürlich ist in Jordanien 8:00 Uhr nicht 8:00 Uhr, sondern 8:20 Uhr, ich bin ja froh, dass überhaupt jemand kommt.
Wir werden aus dem Wüstenlabyrinth sicher bis zur nächsten befahrbaren Straße geführt und können uns ab dann wieder den eigenen Navigierungskünsten widmen.
Auf dem Desert Highway geht es weiter nördlich bis wir direkt zum Wadi Rum Visitor Center gelangen. Wadi Rum ist ein Naturschutzgebiet, deshalb sind 5 JID pro Person Eintritt fällig. Ist man im Besitz des Jordan Passes - so wie wir - ist der Eintritt frei.

Wir holen uns unseren Stempel und nehmen die letzten sieben Kilometer bis zum Wadi Rum Village in Angriff. Hier wollen wir uns mit Salem auf dem Parkplatz am Rest House treffen.
Dieser ist schon ziemlich voll, überall stehen Tour Anbieter die entweder auf ihre gebuchten Gäste warten oder auf Kundenfang sind. Aber auch hier alles sehr unaufdringlich und freundlich.
Wir parken unseren XTerra auf einem der letzten freien Plätze und werden nach dem Aussteigen von einem Beduinen gefragt, ob wir aus Deutschland sind. Wir bejahen und er stellt sich als unser heutige Tourguide vor: Saleh - der ältere Bruder von Salem. Wir zeigen ihm kurz unsere Buchungsnummer, schnappen unser Schlafgepäck und schon sitzen wir hinten auf einem großen Toyota-Jeep.

Salem kommt auch noch hinzu, begrüßt uns und erklärt, dass er uns heute Abend im Camp empfängt. Die beiden sind uns sofort sympathisch und so starten wir 8:54 Uhr unser Abenteuer Wadi Rum.
Aber nun geht's wirklich los. Zeitgleich starten mit uns ca. zehn weiter Touren, da Wadi Rum aber über 700 km2 groß ist, haben alle genug Privatsphäre und müssen sich nicht auf den Füßen stehen.
Erster Stopp ist Lawrence Spring, eine Quelle drei Kilometer südlich des Dorfes Rum. Am Bergfuß kann man einen großen Felsen mit alten Inschriften sehen. Diese Inschriften sollen anderen erklären, dass hier oben an diesem Berghang Wasser zu finden ist. Die Quelle selbst ist nicht sehr interessant, da das meiste Wasser nach unten gepumpt wird, um die Zisternen zu füllen, aus denen Kamele und Ziegen trinken können. Der Hauptgrund für den Stopp ist allerdings, dass wir die Möglichkeit haben, einen felsigen Hang hinauf zu wandern.
Der Blick über die Wüste soll den Aufstieg belohnen. Unsere Gesundheit ist uns allerdings wichtiger und wir verzichten dankend auf die Akrobatikübungen. Können wir schließlich die kleinen Gestalten am Berg erkennen, wie sie sich mühsam den Weg nach oben erklimmen.
Die offizielle Karte markiert diesen Punkt als Lawrence-Quelle, die Beduinen bezeichnen ihn aber als Lawrence-Frühling. Allerdings ist dies jedoch nicht der Lawrence-Frühling, der im Buch von Lawrence von Arabien erwähnt wird. Es ist einfach eine schöne Quelle mit einer atemberaubenden Aussicht. Wenn man denn den Berg besteigt.
An jedem Stopp auf der Tour befindet sich auch ein Beduinenzelt, in dem kostenlos Tee serviert wird und alle zusammen sitzen und reden. Zusätzlich gibt es kleine Souvenirstände, an denen beduinische Handarbeit oder Teemischungen gekauft werden können. Wie nicht anders zu erwarten, wird niemand zu irgendetwas gedrängt oder belästigt. Hauptsache man setzt sich zu ihnen und trinkt einen dieser herrlichen Tees.
Wir trinken mit Saleh also Tee (oops, reinmt sich ja) und er erklärt und, dass wir Unmengen Zeit haben und wir uns alles in Ruhe angucken können. Er hat wohl Angst, dass wir bei jedem Stopp die Aktivität verweigern und dementsprechend nach zwei Stunden mit allem zu Ende sind.
Wir versichern ihm, dass wir uns Zeit lassen und fahren zum nächsten Punkt. Das Wetter ist fantastisch, strahlend blauer Himmel, keine Wolken und angenehm warm. Die Berge leuchten rot oder weiß, je nach Bergfarbe richtet sich auch der farbige Wüstensand, wobei rot dominiert und auch schöner aussieht.
Je weiter wir in die Wüste fahren um so schöner wird es. Wie oft wir heute das Wort Wahnsinn gebraucht haben weiß ich nicht mehr, es war auf jeden Fall sehr häufig.
Wir kommen zu den ersten Dünen. Eine kleine zwar, die direkt an einem Berg liegt. Saleh erklärt die ganze Szenerie und wie man am besten den Berg erklimmt. Wir kraxeln also hoch und haben einen atemberaubenden Blick auf die von der Sonne beleuchteten Berge. Allerdings war der Aufstieg ein Höllentrip. Der Sand ist derart schwierig zu begehen, dass wir mehrere Kunstpausen einlegen müssen bis wir oben sind. Um auf die Spitze des Berges zu gelangen, erfordert es noch einiger gewagter Kletteraktionen aber das schaffen wir dann auch noch.
Wir ruhen uns eine Weile aus, genießen die Stille und machen uns dann an den Abstieg. Da macht auch das Dünenlaufen Spaß, kommt man ja quasi Anstrengung nach unten.
Saleh erklärt uns bei der Weiterfahrt jedes mal das neu Ziel und was uns erwartet, fragt aber auch ob wir vor der Abfahrt noch etwas Zeit benötigen.
Nächster Halt ist der Khazali Canyon. Hier treffen schon einige andere Touren zusammen. Die Guides, alles Beduinen kennen sich untereinander - wir dafür bald alle ihre Gäste.
Der Canyon ist gesäumt mit arabischen und islamischen Zeichen sowie einigen Petroglyphen - ähnlich die der Natives in Amerika.
Der Canyon ist sehr eng und schwierig zu begehen, aber die Gemälde an den Wänden lassen alle Gefahren vergessen.




Es folgt Teatime. Der Tee ist leicht gesüßt und schmeckt nach Kardamon und Salbei. Ein Traum. Vor allen Dingen wenn man erschöpft oder geschwitzt ist.
Viele Berge oder Steine haben unverwechselbar Gestalt, der wir nun immer mehr Namen zuordnen. So finden wir Nilpferde, eine Mutter mit Kind, Frösche usw.
Die schulpflichtigen Beduinen gehen alle im Village zur Schule, an ihren Wochenenden sind sie dann aber auch oft bei Vater und Mutter in der Wüste und leben dort in Zelten.
Geht es später ans studieren, ist Akaba die erste Adresse.
Bevor wir eine Siesta einlegen besuchen wir noch den kleinen Arch, eine kleine Steinbrücke, entstanden durch Erosion der letzten Millionen Jahre. Todesmutiges Jungvolk spaziert auf ihr herum, wie machen lieber Fotos von unten und trinken den nächsten Tee. Hier erstehen wir auch unser erstes Souvenir, eine sitzende Beduinenfrau. Und nicht Made in China.





Wir tauchen immer weiter in die Wüste und kommen zum Laurence House. Hier soll Lawrence von Arabien angeblich gewohnt haben. Da wir den Film nicht gesehen haben, können wir uns auch keinen Reim darauf machen, das Haus ist unspektakulär, na ja Haus kann man auch nicht dazu sagen, es sind noch ein paar aufeinander gestapelte Steine vorhanden. Die Umgebung ist aber wieder traumhaft, wir spazieren herum, klettern und schwitzen und sich glücklich. So etwas Schönes wie Wadi Rum haben wir in der Art noch nie gesehen.

Jetzt aber Lunch, in einer versteckten Ecke zwischen den Bergen bereitet Saleh ein traditionelles beduinisches Essen vor. Viel Gemüse, Auberginenmus und Brot. Alles schmeckt hier in der freien Natur köstlich. Wir unterhalten uns und er gibt Einblicke in sein Leben und seine Arbeit.





Dann brauchen wir aber unbedingt Tee, das nächste Zelt ist ja nicht weit entfernt. "Kommst du aus California?" fragt mich mein Sitznachbar. "Nö, aus Hönow" sage ich und wir lachen. Auf meine Frage warum er das vermute, zeigt e auf mein T-Shirt. Death Valley steht dort mit großen Lettern. Ich fühle mich in Gedanken sofort wieder nach Amerika versetzt. Wie oft wurde ich dort wegen meiner Nationalpark-Shirts angesprochen und befragt. Damals wie heute: Trage nie ein Shirt, für dessen Aufdruck du keine sachdienlichen Hinweise liefern kannst.
Amis und Smalltalk - dieses Gen wird ihnen in der Muttermilch mitgegeben. Uns so reden wir über ihr Land, Mister Donald T. und Deutschland. Wenn Trump 2024 wieder gewählt würde, hätte er gern Asyl bei uns. Die Wiederwahl hält er nicht für unwahrscheinlich. Ich hoffe er irrt. Wir werden noch nach Frau Mörkel ausgefragt, da tönt es laut "Yallah". Auf geht's auf beduinisch. Das bedeutet Abschied nehmen bis zum nächsten Tee.
Wir relaxen noch etwas und machen uns dann auf den Weg zum Burrah Canyon.



Ein langer enger Canyon mit vielen Pflanzen und auf und abs. Und Sand. Die Auf und Abs und den Sand hat Saleh nicht erwähnt. Nur dass er uns am Ende abholt.
Der Weg ist nicht nur wunderschön und besticht durch die vielen Farben, die die Sonne teilweise auf den Steinen zum Erleuchten bringt, nein er ist auch sehr anstrengend. Ihr wisst Wüstensand und so.
Zusätzlich sind wieder einige Höhenmeter zu erklimmen, diesmal über große Felssteine. Reinhold Messner wäre blass vor Neid geworden. Im Canyon grasen an den Bäumen auch einige Kamele, sie sind ganz friedlich und lassen sich streicheln. Nur Von Heidi nicht, das liegt aber daran, dass sich sich gefühlte zwei Kilometer entfernt aufhält.
Am Ende angekommen erwartet uns - na? - genau: eine Sanddüne. Ob ich denn mit dem Sandboard herunter fahren möchte, fragt mich Saleh. Möchten schon, schließlich war ich einmal Gleitschuhweltmeister auf der Todesbahn im Friedrichshain. Mit 14. Jetzt denke ich an meinen Rücken und lehne dankend ab. Wir borgen das Board einem seine Cousins, der wiederum gibt es einen seiner Tourteilnehmer.











Nicht nur das er diese verdammte Düne nun mühevoll hochlaufen bzw. tippeln muss, nein er glänzt zudem mit einem sehenswertem Sturz.
Von mir gab es eine 5,9, andere waren nicht so spendabel. Das Board bekamen wir also schnell zurück und nach einem weiteren Tee besuchen wir den großen Arch und das Chicken.
Großer Arch = große Steinbrücke. Chicken = ein Stein der wie ein Huhn aussieht, dass gerade ein Ei gelegt hat.


Es folgt noch eine Düne auf der wir den Beginn des Sonnenuntergangs betrachten können. Zusätzlich treffen wir einen Berliner, der sich gerade auf einer Weltreise befindet. Die Welt ist so klein Er wurde übrigens von seinem Guide AUF die Düne gefahren - wir durften wieder laufen.




Das ist dann aber auch das Ende einer wunderschönen Reise durch Wadi Rum. Saleh bringt uns zum Camp und wir verabschieden uns von ihm. Ab jetzt übernimmt Bruder Salem.
Er zeigt uns unser Zelt und weist auf die beiden Bänke von denen man einen tollen Blick auf den Sonnenuntergang hat. Das nehmen wir natürlich gern in Anspruch, denn Abendessen gibt es erst 19:00 Uhr.





Wie ein altes Rentnerehepaar sitzen wir auf der Holzbank mit Blick auf die gegenüberliegenden Berge und erfreuen uns an den vielen Farben die jetzt zu Tage getragen werden. Während die Sonne langsam versinkt, merken wir, wie es sich beträchtlich abkühlt.
Bei den vielen Besteigungen und Klettereien haben wir beide festgestellt, dass wir das nicht mehr ewig durchhalten werden. Vielleicht noch zehn Jahre - danach werden wir sicher keinen Jeep mehrmals am Tage besteigen können, geschweige denn riesige Sanddünen hinaufklettern.
Also heißt es genau planen wo und wann wir als nächstes hinreisen wollen.
Unser Zelt ist eigentlich ein kleines Häuschen mit einem gemütlichen Doppelbett und warmen Decken. Sehr hyggelig und für ein, zwei Nächte völlig ausreichend.
Salem stellt uns seinen Bruder Mohammed - der heutige Koch und Francis, die gute Seele des Camps vor. Mit ihr hatte ich die ganze schriftliche Korrespondenz durchgeführt und so ist es schön sich nun persönlich zu begegnen.



Wie sitzen im schönen Aufenthaltsraum, unterhalten uns über den heutigen Tag und trinken - Unmengen von Beduinen-Whisky. Tee.
Da wir die einzigen Gäste sind, erhalten wir von den Gastgebern die ganze Aufmerksamkeit. Jeder Wunsch wird von den Augen abgelesen, wir fühlen uns wie Beduinenkönige bzw. -königinnen.
Nach dem beduinischen Abendessen ziehen wir in das nebenan gelegene Beduinenzelt um. Hier schlafen heute Salem und Mohammed, jetzt dient es als Begegnungsstätte. Wir sitzen auf Kissen um das mitten im Raum entfachte Feuer und erzählen Geschichten aus der jeweiligen Heimat. Ich muss mit Salem ein beduinisches Willkommenslied singen, wobei ich nur die erste Zeile unfallfrei wiedergeben kann. Die wird allerdings sehr oft gesungen.
Später diskutieren wir über die politischen Situationen in den jeweiligen Ländern und erörtern das Verhältnis der arabischen Welt zu Israel und dem Iran. Wieder ist es schön unterschiedliche Sichtweisen kennen zu lernen.
Gegen 22:00 Uhr wollen wir uns todmüde in unser Zelt verabschieden, doch auf dem Weg dahin passiert unvorstellbares: Wir sehen die Milchstraße. So nah und klar - himmlisch. Heidi entdeckt zusätzlich drei Sternschnuppen, ich keine. Aber ich fotografiere ja auch.
Nach einer Stunde verschwinden wir dann aber im Bett. Ein wunderschöner Tag geht zu Ende - mit einer wichtigen Erkenntnis:
Auch in Jordaniern und speziell in Wadi Rum gibt es große Trompetenkäfer.
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