Delhi - Old Delhi: Zehn Kilometer durch eine unglaubliche Welt
- Holger Schweitzberger
- 10. März 2024
- 6 Min. Lesezeit

17. Februar: 7:00 Uhr kommen wir im Hotel an. Das Einchecken ist unproblematisch. Auf den ersten Blick sieht die Straße nicht sehr vertrauenerweckend aus, das stellt sich jedoch später als ein Missverständnis heraus. Es ist halt Indien.
Die Zimmer sind sehr schön, doch selbst hier hören wir den ohrenbetäubenden Lärm der Auto- und Rikschahupen.
Das Frühstück ist super und voll indisch. Wir haben am Tisch indische Nachbarn, sie erklären uns alles und weisen uns ein, die einzelnen Speisen mit der richtigen Soßenkombination zu essen. Es ist manchmal leicht scharf, aber noch finde ich es gut. Tobi weint.

Während Heidi und Jule in Ruhe ihren Kaffee austrinken, machen sich Tobi und ich auf den Weg um Geld zu holen. Das erweist als nicht so einfach, finden wir mal einen, können wir noch sehr wenig Geld abheben. Aber egal, wir lassen uns erst einmal von den ganzen, neuen Eindrücken berauschen und können es noch gar nicht glauben, wirklich hier zu sein.
Von Smog ist jetzt allerdings überhaupt nichts zu spüren, es ist angenehm warm und sehr laut.
Dann sehen wir unsere ersten Kühe. Stoisch stehen sie auf der Straße und werden gekonnt von allen Verkehrsteilnehmern umfahren.
Wir finden schließlich einen ATM, hier sitzt ein kleiner alter Inder und wartet dass er Touristen seine Hilfe anbieten und damit ein paar Rupien ergattern kann.
Wir holen je 10.000 Rupien ab und geben unserem Inder noch ein kleines Trinkgeld für seine Hilfe.
Wir spazieren noch ein bisschen durch die Gegend, verschwinden dann aber doch erstmal im Hotel um zu duschen und zu schlafen. Der letzte Tag war doch ganz schön anstrengend.
Ach ja, das Einloggen ins WLAN ist auch kurios. Nachdem man das WLAN ausgewählt hat, muss man sich mit Zimmernummer und Nachnamen authentifizieren. Unser Raum hat die Nummer 4001 und unseren Namen können wir auch schreiben. Die Anmeldung wird jedoch immer verweigert. Bei Tobi und Jule auch.
Wir fragen also noch einmal an der Rezeption nach und siehe da: wir müssen ganz andere Zimmernummern verwenden als wir haben.
Darauf muss man erst einmal kommen.
Aber trotzdem:
Und: Today was a good day. Aber der Reihe nach.
Geplant ist am Morgen nur die Fahrt zum Chandni Chowk. Dieser Markt befindet sich in Old Delhi und ist ca. 2,5 km von unserem Hotel entfernt.
Wir überlegen erst einen Uber zu rufen, entscheiden uns dann aber für eine Rikscha. Knapp drei Euro kostet diese Fahrt, man sitzt zu viert in einer offenen Kabine, ähnlich wie in Thailand bei den TukTuks. Allerdings sind die indischen Rikschas elektrisch betrieben, so dass keine Abgase stören.
Wie wir bald merken, ist die Rikscha, genau wie die Fahrradrikscha, die einzige vernünftige Möglichkeit um sich in der Altstadt fortzubewegen.
Nach zehn Minuten steigen wir am Zielort aus, was wir während der Fahrt sahen, übertraf schon unsere Erwartungen.
Die nächsten fünf Stunden lassen wir uns mit offenen Mündern durch das organisierte Chaos treiben. Wir fühlen uns wie in einer anderen Welt.
Als wir aus der gesicherten Umgebung unseres Transportmittel entlassen werden, wissen wir erst einmal nicht wohin mit uns.
Tausende Rikschas buhlen um Kunden, an ein Durchkommen keine Spur. Die Hupgeräusche, die daran erinnern wir sich der extatische Jubel alle Herthaner nach einem Tor anhört, sollen den ganzen Tag nicht mehr verstummen. Wer dachte, dass der Verkehr im Iran oder Jordanien schon grenzwertig ist, wird sofort eines Besseren belehrt.
Ab heute ist nichts mehr wie es war. Wir streifen ziellos durch die Straßen und Gassen dieses riesigen Areals, Die Viertel sind nach den verschiedenen Gewerken aufgeteilt.
Computer, Fernseher, Kleider, Schneiderein, Fleischereien, Blumenhändler - alles hat seinen separaten Bereich.
Manche Manufakturen erinnern an des 19. Jahrhundert, bei anderen sind Hygienebestimmungen ein Fremdwort. Und zwischendurch immer wieder die heiligen Kühe.
Sie genießen Narrenfreiheit und ernähren sich hauptsächlich vom Müll der an eigen Stellen zu finden ist. Müssen wir in Berlin aufpassen, nicht in Hundehaufen zu treten, sind es hier die Kuhfladen.


An den Stellen an dem sich mehrere Kühe befinden, riecht es oft sehr streng, sonst allerdings ist alles sauber, das hätte ich mir anders vorgestellt.
Nach wenigen Minuten wird uns auch bewusst, was es mit der ewigen Huperei auf sich hat. Gäbe es diese nicht, wären wir heute schon zehnmal überfahren worden oder es hätten sich unzählige Unfälle ereignet.
Aber passiert ist - nichts. Jeder fährt zwar wie er will, aber ein unausgesprochener Konsens sorgt dafür, das alles reibungslos verläuft.

Uns beeindrucken die vielen schönen Frauen in ihren bunten Gewändern, die Coolness die alle Inder infiltriert haben um tiefenentspannt den Tag zu überleben und nicht zuletzt die Freundlichkeit die uns entgegen gebracht wird. Oft werden wir in Smalltalks verwickelt, wo es nur darum geht dem anderen ein paar Informationen zu entlocken.
Merken wir, dass uns eventuell ein Verkaufsgespräch droht, sagen wir immer, dass wir aus Finnland kommen. Damit kann kein Inder etwas anfangen und wir werden wieder in Ruhe gelassen. Generell sind aber diese Anfragen sehr selten, so dass wir bequem überall entlang schlendern können.
Einzig die Rikschafahrer fragen uns ununterbrochen nach unserem Ziel. Wenn wir aber erwidern, dass wir laufen wollen, lächeln sie und ziehen von dannen.
Wir probieren indes einige Masalatees und kosten von den vielen vegetarischen Speisen die überall angeboten werden.
Am Ende oder auch Anfang von Chandni Chowk thront das Rote Ford. Es war das erste Ziel für heute, danach wollen wir weiter sehen. Um näher an das Fort heran zukommen muss erst einmal eine riesige, breite Straße überwunden werden.

Aus der arabischen Welt wissen wir zum Glück wie das geht und auch in Indien haben wir damit Erfolg:
Einfach über die Straße gehen und den Fahrern nicht in die Augen sehen. Ein Fahrzeug vorbei lassen, dann weiter gehen. Diese Reihenfolge einhalten bis man auf der anderen Seite ist. Auf keinen Fall grundlos oder ängstlich stehen bleiben. Dann ist man Freiwild und gilt nicht mehr als ebenbürtig.
Zum Abschluss wollen wir noch auf den Gewürzmarkt gehen und die vielen verschiedenen Gerüche aufsaugen.
Google Maps spricht von 400 Metern Entfernung, doch egal wie wir laufen, wir gehen nach ein paar Minuten immer in die falsche Richtung.
Mir reichts, ich rufe eine Rikscha und für knapp drei Euro werden wir gefahren. In der Straße in der sich hunderte Sari-Anbieter befinden geht plötzlich gar nichts mehr. Nachdem gefühlt tausend junge Frauen in genau ein Geschäft wollen, ist die ganze Straße blockiert. Die Polizei greift nur halbherzig ein, mir kommt es so vor, als ob sie sowieso niemand ernst nimmt.
Der Stau wird immer größer, aber irgendwann sind wir dem Gewühl entronnen und am Markt angekommen. Auch hier bezahlen wir wieder knapp drei Euro an den Fahrer.
Der Spice Market ist riesig, also richtig, richtig groß und lang. Es erscheinen immer mehr Menschen, die mit dem Fahrrad, dem Lastenrad oder ihrem Kopf unglaublich große Pakete transportieren. Dabei ist fast kein Durchkommen, da die Rushhour Einzug gehalten hat.
Jeder versucht für sich ohne Rücksicht auf Verluste, den besten Weg zu organisieren. Es gibt zwar ab und zu einen kleinen Zusammenstoß, allerdings stört sich daran keiner.
Wir kaufen ein paar iranische Pistazien, Cashewkerne und Rosinen, danach treten wir den Heimweg an.
Ich habe Rücken und sehne mich zusätzlich nach einer thailändischen Fußmassage. Der Traum der Massage ist schnell ausgeträumt und so bleibt nur noch übrig, den Heimweg anzutreten. Wir verhandeln schnell den Preis und geben dem Fahrer noch mit auf den Weg an einem Wein & Biershop anzuhalten.
Inzwischen ist es dermaßen voll, dass selbst die Fußgänger nicht mehr vorwärts kommen. Geschweige denn wir und alle anderen fahrbaren Untersätze. Trotzdem wird gehupt, um den Vordermann davon zu überzeugen zur Seite zu fahren. Allerdings existiert manchmal nicht mehr ein Zentimeter dieses kostbaren Platzes.

Wir brauchen für 300 Meter ein halbe Stunde und zu allem Überfluss führt das Biergeschäft kein Bier.
So ziehen Tobi und ich, nachdem wir Jule und Heidi im Hotel abgeladen haben, noch einmal los um indisches Bier zu erstehen.
Nach diesem erfolgreichen Unterfangen, gibt es eine kurze Siesta um danach eine geeignete Stelle zum Abendessen zu finden.
Zwei Ecken von uns entfernt finden wir ein kleines Restaurant - na ja, dieser Begriff ist etwas sehr übertrieben, aber hier soll es das beste Food der gesamten Gegend geben.
Hier im Aggerwal kennen wir keines der Gerichte, also bitten wir den Kellner, seine Favoriten für uns zu bestellen.
Wir erhalten das beste indische und vegetarische Essen unseres Lebens. Leider weiß ich die Namen der Gerichte nicht mehr, aber die mit Tofu haben mir am besten geschmeckt. Es war einfach grandios und mit 12€ inkl. Getränke auch noch verdammt preiswert.
Eigentlich wollten wir noch ein Bier trinken, aber der Tag hat heute so geschlaucht, das wir alle 21:00 Uhr todmüde ins Bett fallen.

Hier noch einige Links, deren Inhalt im Verlauf der Reise immer wieder aktualisiert wird, Also immer mal gucken!
Super schöne eindrücke... Es ist toll, das ich es so miterleben kann.. Schöne Zeit euch allen