Aqaba - Berlin & Fazit
- Holger Schweitzberger
- 14. Nov. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juli 2023
الأردن إلى اللقاء - al'urdun 'iilaa alliqa'
Auf Wiedersehen Jordanien!
Heute ist das erste Mal, dass wir den Ruf des Muezzin nicht hören. Trotz offenen Fensters.

Zwei Wochen sind wir durch dieses interessante Land im Nahen Osten gereist und wir können gar nicht damit aufhören davon zu schwärmen.
Sei es die Landschaft, die kulturhistorischen Stätte, das wunderbar vielfältige Essen oder die freundlichen Menschen. Wie oft wir "Welcome to Jordan" hörten, können wir gar nicht zählen, ebenso die Einladungen auf eine Tasse Tee.
Was wird am nachhaltigsten bei uns hängen bleiben? Ich sehe da Parallelen zu unserer Iran-Reise.
Wird in unserem Kulturkreis der Islam in letzter Zeit doch sehr misstrauisch beäugt, was auch durch eine manchmal einseitige Medienlandschaft hervorgerufen wird, hat es sich für uns wieder bewahrheitet, wie wichtig es ist, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden und beide Seiten der Medaille zu betrachten.
Sehr oft sagten die Menschen von sich aus, dass sie den IS genauso verteufeln wie wir und er in keiner Weise die muslimische Gesellschaft widerspiegele.
Auch Diskussionen über das Verhältnis zu Israel, brachten mir die Gedanken und Einstellungen der arabischen und palästinensischen Bevölkerung näher. Einige Einstellungen werden mir nun klarer, auch wenn ich natürlich nicht alle Überzeugen teile. Aber ich verstehe sie. Etwas zumindest.
Wir haben uns in Jordanien nicht eine Sekunde unwohl geführt, selbst in den dunkelsten oder verlassensten Gassen wurden wir freundlich gegrüßt oder angelacht.
Polizeipräsenz ist hier allgegenwärtig. Ob Kontrollpunkte auf der Autobahn oder den Highways oder das Patrouillieren in den Städten oder kulturellen Hochburgen wie z.B. Petra. Dies war aber nie aufdringlich oder angsteinflößend, sondern immer diskret und höflich.
Waren wir vom Iran ja chaotischen Autoverkehr in den Städten gewohnt, ist es in Jordanien viel ziviler. Ich kenne kaum ein Land in dem ich bisher lieber gefahren bin als hier. Gibt es hier auch kaum Vorfahrtschilder oder fehlen die kompletten Spurmarkierungen, so läuft der Verkehr doch flüssig und sehr entspannt. Nur vom Gehupe darf man sich nicht abschrecken lassen, da hilft es einfach das Gleiche zu tun.
Wann kann man das schon, so nach Herzenslaune Krawall machen - ohne dass man in einem Hochzeitskorso fährt.
Für Vegetarier ist Jordanien fast das Himmelreich. Unzählige kalte oder warme Mezze werden hier angeboten, die meisten rein fleischfrei und allesamt sehr schmackhaft.
Hummus gehört zum Grundnahrungsmittel und wird zu allen Mahlzeiten gereicht. Gerade zum Frühstück stellt er eine sehr gehaltvolle Basis um über den Tag zu kommen. Den verschiedenen Qualitätsstufen habe ich ja während der Berichte schon erläutert. Sieger ist für uns die Hummuszubereitung des Hashem Sons Restaurant in Aqaba. Den zweiten Platz teilen sich das libanesische Restaurant in Jerash, das Beirut in Madaba uns das Alshinawi in Aqaba.
Lieblingsspeisen, wenn es die hier überhaupt gibt, waren Mansaf, das Nationalessen und Hähnchen im überbackenen Fladenbrot. Und natürlich ausnahmslos alle kalten Mezze.
Die Kebabs waren allesamt von einer sehr guten Qualität und meist aus Lammfleisch hergestellt.
Was hat uns am meisten gefallen? Lange haben wir darüber nachgedacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir es nicht beantworten können bzw. wollen.
Eine richtige Entscheidung war es allerdings die beiden Highlights Wadi Rum und Petra an den Anfang bzw. das Ende der Reise zu setzen.
Von den Städten gefiel mir Madaba am besten, innerhalb dieser kleinen Stadt gibt es so viele kulturelle Sehenswürdigkeiten und trotzdem ist sie typisch arabisch. Mit dem Hotel Nebo verfügt die Stadt auch über das gemütlichste und schönste Hotel auf unserer Reise.
Die antike Römerstadt Gerasa in Jerash ist wohl die am besten erhaltene seiner Art, die ich jemals zu Gesicht bekam. Ganz klar vor dem Forum Romano in Rom.
Die Fahrten durch die bergige Landschaften und Wüsten waren teils atemberaubend. Hervorheben möchte ich den Sandsturm auf der Etappe nach Wadi Musa und der einsetzende Sonnenuntergang kurz vor Ankunft.
Wadi Rum war einzigartig. Solch vielfältige Wüste mit seinen verschiedenen Farben und der klare Nachthimmel mit Millionen von Sternen, er Milchstraße und Sternschnuppen - einfach unvergesslich.
Über die antike Felsenstadt Petra können wir nicht genug schwärmen. Hier wurde es uns nicht eine Minute langweilig. Diese architektonischen Meisterleistungen die hier im Fels verewigt wurden sind sensationell. Ebenso die Trails die bergauf und bergab durch die Berge führen sind wunderschön aber auch anstrengend.
Der Siq und die Hauptstraße, die leicht zu begehen sind, werden aus unseren Gedanken nicht mehr wegzudenken sein.
Amman, die Hauptstadt und ein Schmelztiegel vieler Nationen und Kulturen. Hier wurden wir erst am zweiten Tag richtig warm, dann aber waren auch wir fasziniert. Highlight hier war die Zitadelle hoch über Amman. Der atemberaubende Blick über die gesamte Stadt war genial.
Der Verkehr ist hier noch einmal eine andere Hausnummer als im Rest des Landes. Ewig verstopfte Straßen in der Innenstadt und ununterbrochene Hupkonzerte sind hier an der Tagesordnung.
Wie auch im Iran, dienen Zebrastreifen nur der Verzierung der Straße. Als Fußgänger muss man sich einfach nur an folgende Regeln halten:
Nie warten bis ein Auto hält um einen vorbei zu lassen. Sonst steht man Ewigkeiten. Also, einfach die Straße betreten, das erste Auto vorbei lassen und dann zügig die Straße überqueren. Damit hat man seinen guten Willen gezeigt und der nachfolgende Verkehr stoppt.
An das Handeln muss man sich als Mitteleuropäer erst gewöhnen. Es ist davon auszugehen, dass der Anfangspreis über 50% des Normalpreises liegt. Demzufolge darf man sich auch nicht dumm vorkommen, wenn man als erstes Gegenangebot nur 5-10% des geforderten Preises anbietet.
Keine Angst, dafür wird man nicht erschossen. Hat man 40% oder weniger des geforderten Preis ausgehandelt kann man kaufen und sich sicher sein, dass der Gegenüber auch noch sein Geschäft gemacht hat.
Handeln ist Pflicht, da es Teil des Verkaufsgespräches ist. Ohne Handeln ist es für den Jordanier unbefriedigend. Und wenn wir weniger bezahlen als erwartet, dann haben auch wir Freude daran. Immer möchte es das aber nicht machen, es geht damit einfach zu viel Zeit ins Land.
Was fällt mir noch ein? Ja, der geniale Granatapfelsaft, den werde ich auf jeden Fall vermissen. Und den Geruch der Gewürze und das wuselige Geschäftstreiben in den Souks oder Märkten.
Die Gastfreundlichkeit ist unbeschreiblich, fast wie im Iran.
In Hotels muss man erst 12:00 Uhr auschecken und kann meist 12:00 Uhr einchecken.
Überall steht ein Bidet zur Verfügung, westliche Toiletten gibt es auch überall.
Mit Englisch kann man sich (fast) immer verständigen, zur Not helfen Hände und Füße oder der google Übersetzer.
Eine lokale SIM Karte ist von Vorteil, hiermit ist man immer autark. Ich hatte eine von Zain, einem Hauptanbieter, meist 4G und außer in Wadi Rum auch immer Empfang.
Wasser ist in der Wüste ein kostbares Gut. Alle Häuser haben Wassertanks auf dem Dach, da Wasser nur ein- bis zweimal in der Woche geliefert wird. In dieser Zeit werden dann die Tanks gefüllt.
Wir sind in den 14 Tagen ca. 1445 Kilometer gefahren, Tankstellen sind reichlich vorhanden und der Benzinpreis ist im gesamten Land gleich. Wir tankten Super 95 - das war allerdings nicht immer vorrätig, so dass es sich empfahl, spätestens nach Verbrauch der halben Tankfüllung zu tanken. Der Preis pro Liter lag bei 1,07 JD = 1,327 €.
Wir stehen gegen 8:00 Uhr auf. Wir haben Zeit. 11:20 Uhr soll die Gepäckabgabe öffnen, die Fahrzeit zum Airport beträgt ungefähr 20 Minuten.
Das Frühstück im Hotel Lacosta nimmt mit dem des Hotels in Wadi Musa den letzten Platz ein. Deshalb wählen wir wie gestern das frisch zubereitete Omelette.
Um diese Zeit ist gerader Rush Hour im Restaurant, aber wir haben Glück und können noch einen freien Tisch finden.
Auf dem Zimmer überprüfen wir noch einmal das Gewicht unserer beiden Koffer. Alles ist im grünen Bereich.
Ein letztes Mal begeben wir uns auf einen kleinen Spaziergang durch Aqaba. "Taxi?". So werden wir wie jedes Mal wenn wir das Hotel verlassen von dem immer gleichen Taxifahrer angesprochen. Und wie jedes Mal heute auch wieder, erklären wir dass wir ein eigenes Auto haben. Er nickt verständnisvoll. Auch wie immer.


Es ist schon schön warm, wir kaufen drei Falafelsandwich für den Flug und Baklava für den sofortigen Verzehr.
Auf dem Balkon machen wir es uns danach mit Tee und dem Gebäck gemütlich und warten darauf, dass die Zeit bis zur Abfahrt vergeht.

In die vom Navi angezeigte Straße am Airport Aqaba dürfen wir nicht hinein fahren. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte erklären freundlich, dass wir am falschen Eingang sind.
Also fahren wir wieder zwei Kilometer zurück, wenden und fahren dann die Airport Road zum richtigen Eingang.
Auch hier ist alles schwer bewaffnet, liegt Israel ja in Spuckweite entfernt. Ein großer Streifen Niemandsland trennt die beiden Staaten.
Wir geben das Auto bei AVIS ohne Komplikationen ab und begeben uns danach zur Abflughalle.
Die gesamte Sicherheitsüberprüfung ist wie beim Hinflug sehr chaotisch und nicht nachzuvollziehen. Meine Kamera wird wieder einer Leibesvisitation unterzogen und der Kollege vom Easyjetschalter benötigt 15 Minuten bis wir endlich unserer Bordkarten und Pässe wieder in den Händen halten können.



Nach noch zweimaliger Passkontrolle sind wir endlich Wartebereich mit seinen vier kleinen Shops, dafür aber genügend Sitzgelegenheiten.
Die Unterscheidung zwischen normalen und Priority Boarding wird sehr ernst genommen. Und so sind wir auch als eine der Ersten im Flieger. Das hat den Vorteil, dass wir unser Gepäck am Platz verstauen können. Die nach uns folgenden Passagiere haben da schon ihre Schwierigkeiten und müssen bis zur Mitte des Fliegers laufen um freie Kapazitäten zu finden.
Wir starten pünktlich, essen zwischendurch unsere Sandwiches und sehen einen herrlichen Sonnenuntergang.



Eine erwähnenswerte Situation gab es, als die Durchsage ertönt, dass auf der Toilette ein Passagier rauchte. Sehr konsequent wurde darauf hingewiesen, dass die Polizei in Berlin verständigt wird und dieser Fall zur Anzeige gebracht wird.
Wir landen pünktlich in Berlin, die Koffer kommen sehr schnell und so verlassen wir den BER bei 9°C in Richtung Parkhaus P3.

Nach 55 Kilometern kommen wir gut zu Hause an werfen die Sachen in die Ecke und erkunden die...
Nein, wir packen aus und später genehmigen wir uns einen letzten Urlaubs-Gin Tonic.
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