Öffentlicher Nahverkehr - Blick auf Buda - Foto an der Margit Hid - Fette Trompeten
- Holger Schweitzberger
- 4. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Okt.

unten 28. September 18°C
Da uns der Frühstückspreis im Hotel - 19€ p.P. - viel zu hoch ist, müssen wir uns also etwas in unserer Nähe suchen um den Hunger zu stillen.
Da Heidi noch schläft und mich die senile Bettflucht ereilt, mache ich mich einfach mal auf den Weg, um etwas passendes zu finden.
Ich wurde übrigens die ganze Nacht von einer suspekten Person beobachtet.

Falls es jemand noch nicht weiß: Der Taschenrechner von Apple bietet die Möglichkeit, sich den Betrag einer Fremdwährung in Euro umrechnen zu lassen. Finde ich ziemlich smart.
Ich finde ungefähr 100m von unserem Hotel entfernt einen Coffeeshop der zusätzlich so allen möglichen Kaffeevarianten auch belegte Baguettes und Kuchen verkauft. Das ging ja schnell, damit ist unsere Frühstückslocation festgelegt.
Gestern abend fühlten wir uns beim Schlendern durch die Straßen etwas an Bangkok erinnert. Gefühlt alle 300m passieren wir Etablissements mit Angeboten für Thaimassagen. Das mal so nebenbei.
Letzte Woche hatte ich eine Diskussion bei der es darum ging, wie man Schleifen an Schuhen bindet. Behauptet wurde, dass 90% der Menschen ihre Schleifen verkehrt schnüren. Ich vertrat die Meinung, dass - wenn 90% es angeblich falsch machen - man wohl die restlichen 10% hinterfragen sollte.
Deshalb fragte ich Heidi heute früh, wie sie denn ihre Schleifen bindet. Und siehe da, sie bindet falsch! Oder ich?
Sie nimmt die erste Schlaufe in die rechte Hand, während ich die linke verwende. Nun meine Frage: Wie macht es der Rest der Bevölkerung. Ihr könnt mir gern schreiben, wie ihr es handelt, ich bin gespannt. Habe dazu absichtlich auch noch nicht gegoogelt.
Der Plan für heute sieht folgendermaßen aus: Nach dem Frühstück fahren wir zum Imre-Nagy-Denkmal. Dort befindet sich die Starthaltestelle der Straßenbahnlinie 2, die eine der schönsten Routen der Welt befahren soll, nämlich immer an der Donau entlang, mit Blick auf die vielen Sehenswürdigkeiten.
Dazu kabe ich vor schon die App Budapest Go installiert und eingerichtet. Hiermit kann man Tickets online kaufen und an den Automaten entwerten. Eine einfache Fahrt - ohne Umsteigen - kostet ca. 1,20€, als 10-Karte etws unter einem Euro. Man kann auch eine Tageskarte kaufen, diese lohnt sich ab der sechsten Einzelfahrt.
Sollte das Wetter heute wieder so schön wie gestern werden, wollen wir eventuell noch eine Fahrt auf der Donau wagen.
Der restliche Rest ergibt sich dann.
Unser Frühstück war sehr gut, der Latte Macchiato, fast Weltspitze und auch die Sandwiches waren sehr schmackhaft. Wir können dieses Café nur weiterempfehlen.

Wir laufen zur U-Bahn-Station Oktogon und stellen fest, dass wir mehrmals umsteigen müssten, um zur Haltestelle der Linie zwei zu gelangen.
Das bedeutet für uns, dass wir noch einmal ganz genau die Regularien der Budapester Verkehrsbetriebe durchlesen müssen um nicht unterlizenziert zu sein.
Schlussendlich entscheiden wir uns für ein 90 Minuten Ticket. Das hat den Vorteil, dass man während dieser Zeit unbegrenzt umsteigen kann. Es kostet ungefähr zwei Euro.

Die Aktivierung des Tickets ist ganu witzig. Man muss nur sein gekauftes Ticket an einem QR-Code scannen und schon ist es aktiviert und ganz benutzt werden. Kontrollen beim Einstieg gibt es wie in Berlin nicht.
Der Nachteil ist, dass wenn man umsteigt, dieses Ticket immer wieder aktualisieret werden muss. Das ist ganz schön mühsam und erbibt für mich auch keinen Sinn, da ja detailliert im Ticket die maximale Nutzungsdauer durch die Urzeit genau eingetragen ist.
Die Budapester U-Bahn ist die zweitälteste der Welt und ging 1896 in Betrieb. Viele Bahnhöfe versprühen noch den Geist dieser Epoche und sind wunderschön. Wir steigen ein paarmal um und sind nach 15 Minuten am Jászai Mari tér.
Hier steigen wir in die Linie 2 um uns während ihrer 20-minütigen Fahrt bezaubern zu lassen.
Sie gilt als eine der schönsten Straßenbahnlinien der Welt und wird oft sogar als eine der malerischsten Straßenbahnfahrten Europas bezeichnet.
Die Linie 2 verläuft auf der Pester Seite direkt an der Donau entlang. Dadurch hat man einen atemberaubenden Blick auf die Budaer Burg, die Fischerbastei, die Matthiaskirche oder den Gellértberg. Die gesamte Strecke verläuft durch einen Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, da das Donaupanorama von Budapest dort geschützt ist. Es ist wie eine kostenlose Sightseeing-Tour durch die Stadt – mit Live-Aussicht!
Viele der schönsten Postkartenmotive von Budapest kann man direkt aus dem Fenster bewundern. Die Fahrt ist ideal bei Sonnenuntergang oder wenn die Stadt bei Nacht beleuchtet ist.
Das ist heute früh natürlich nicht der Fall, es tut aber der Schönheit dieser Tour keinen Abbruch.
Vom Jászai Mari tér kommend, setzt man sich am Besten auf die rechte Seite. So hat man alle Sehenswürdigkeiten hautnah bewundern.

An der Endhaltestelle angekommen, können wir einfach im Waggon sitzen bleiben um die Rückfahrt zu starten. Doch Vorsicht: Nicht vergessen, dass Ticket wieder neu einzulesen.
Diesmal steigen wir eine Station vor der Kettenbrücke aus und spazieren bis zur Margit Hid (Margaretenbrücke).
An vielen Stellen merkt man Budapest ihre lange Zugehörigkeit zur K&K-Monarchie an. Die Architektur der Häuser ist oft atemberaubend, so dass wir uns nicht satt sehen können.
Die Gebäude auf der Buda-Seite laden uns dabei intensiv ein, sie in den nächsten Tagen zu besuchen.
Jetzt sind wir aber noch mit Pest beschäftigt. Wir spazieren an der Donau entlang, bis wir kurz vor dem Kossuth ter eine große Menschenmenge sehen.
Dachten wir auf der Hinfahrt noch, dass es sich um Angler handelt, sehen wir nun, dass sich hier das berühmte, 2005 errichtete Mahnmal Schuhe am Donauufer handelt.
Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aus Metall auf dem Boden angebracht. Sie sollen dem Gedenken an die Massenerschießungen von ungarischen Juden am Donauufer während der faschistischen Pfeilkreuzler-Diktatur 1944/45 erinnern. Der ungarische Historiker Krisztián Ungváry spricht von 2.600 bis 3.600 Opfern, die auf diese Weise ermordet wurden. Die Schuhe stehen oder liegen „wie zufällig“ übrig geblieben. Die Inschrift auf den Gedenktafeln in den Sprachen Ungarisch, Englisch und Hebräisch lautet: „Im Gedenken an die Opfer, die 1944/45 von bewaffneten Pfeilkreuzlern in die Donau geschossen wurden“.

Zeitgleich ist auch eine Gruppe junger, jüdischer Frauen vor Ort die ein sehr schönes, trauriges Lied singen. Es ist alles sehr ergreifend und gerade in der heutigen Zeit sollten sich alle besinnen, was es heißt in Diktaturen oder demokratiefeindlich en Systemen zu leben. Unsere Freiheit ist nicht in Stein gemeißelt!
Direkt gegenüber befindet sich das ungarische Parlament - eines der schönsten Bauwerke in der ungarischen Haupstadt. Es steht direkt am Kossuth ter und der Donau und wacht majestätisch mit seiner Kraft und Imposanz.
Natürlich ist es hier voll von Touris, besonders viele Asiaten sind zu sehen. Bestimmt sind einige Donaudampfer heute gelandet. Und wie immer wenn Asiaten vor großen Denkmälern oder Naturschauspielen auftauchen - es kann viel gelacht werden. In allen Posen wird fotografiert - dabei geht es nicht unbedingt um das eigentliche Objekt, nein, wichtig ist dabei selbst gut, ach was sag ich - umwerfend auszusehen.
Rein zufällig kann man gar nicht anders, als in diese Bilder hineinzulaufen oder mittendrin stehen zu bleiben.
Vorbei an Imre Nagy, dem Helden der Aufstände 1956, kommen wir zur Margaretheninsel und der gleichnamigen Brücke.

Hier entdecken wir ein kleines Restaurant mit dem namen Gaby's. Hier trinken wir abgeschieden ein kleines tschechisches Kaltgetränk und essen ein paar Nachos.

Die Preise sind wieder zivilisiert und unterscheiden sich sehr, von den Mondpreisen an den Sehenswürdigkeiten.
Kurz nach der Margarethenbrücke entdecken wir einen Platz wo wir schon vor ein paar Jahren waren. Das muss natürlich schnell fotografiert und verglichen werden. Kaum ein Unterschied.

Einen knappen Kilometer müssen wir nun noch zum Hotel zur wohlverdienten Siesta laufen. Wir passieren noch einmal den Bahnhof Nyugati, einen der schönsten die ich kenne. Damals habe ich mich immer auf die Auslagen mit den Zeitungen aus Deutschland gestürzt und sie gelesen. Es war wie die große, weite Welt.
Heute gibts keine Zeitungsstände mehr - leider.

Zum Glück sind noch die großen Blumenstände in Budapests Strassen erhalten geblieben.

Wir haben auch einen Stand gesehen, der noch warme Maiskolben aus übergroßen Töpfen verkaufte. Früher standen die Dinger an jeder Ecke, heute gibts wohl nur noch diesen einen. Und der verkauft, wie sich beim näheren Betrachten herausstellte, keine Maiskolben mehr sondern Mulled Wine. Glühwein bei 20°C - auch 'ne Geschäftsidee.
Nach knapp sieben Kilometer Fußmarsch entledigen wir uns unserer Sachen und entspannen in unserer Suite.
Kurz vor sieben zieht es uns wieder an die Donau. Wir bewundern die illuminierten Gebäude und erfreuen uns an der Musik einer Band mit fetten Trompeten und Posaunen.
Es herrscht ausgelassene Stimmung, das Bier fließt in Strömen und es wird fleißig getanzt und gesungen.

Sie spielen direkt an der Donau, im Hintergrund ist der Viadukt auf dem die Straßenbahnen fahren. Im Viadukt befinden sich viele Kneipen, Kunst und Sitzgelegenheiten. Sehr schön.
Zum Abendessen zieht es uns schließlich wieder in die Gaststätte in der wir gestern schon waren. Die Restaurants direkt am Fluss sind alle extrem überteuert und qualitativ nicht besonders gut. Es ist alles nur auf Tourismus ausgelegt.


Wir essen Gulasch mit Spätzle und trinken als Absacker noch einen Zwack Unikum. An deren Fabrik sind wir heute vorbei gefahren, Grund genug den Kräuter zu probieren.
Todmüde fallen wir anschließend in unsere Betten. Wir sind ca. 10,5 km gelaufen, jetzt brauchen unsere Füße viel Ruhe.
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