Kangerlussuaq | Ilulissat
- Holger Schweitzberger
- 15. März 2022
- 6 Min. Lesezeit

9. März 2022 Noch völlig freudetrunken vom letzten Tag wache ich schon gegen 03:00 Uhr auf und bin wach. Die Zeitumstellung hat meinen Körper noch im Griff und je älter ich werde, desto länger macht sie sich bemerkbar. Einen Vorteil hat das ganze aber, ich kann in Ruhe meinen Reisebericht für den gestrigen Tag schreiben. Gestern Abend hätte ich sowieso nichts mehr zu Stande gebracht.
Unser Flug nach Ilulissat startet heute 9:20 Uhr, 8:00 Uhr ist Abfahrt vom Hotel. 7:30 Uhr wollen wir frühstücken, ab dieser Zeit ist das Buffet eröffnet.
Dick vermummt wage ich gegen 6:30 Uhr ein Blick auf das Thermometer und dann ins Freie. -21°C trötet mir das außen angebrachte Thermometer frostig entgegen. So kommt es mir auch vor.


Es weht zusätzlich eisiger Wind, zum ersten Mal in Grönland benötige ich die allumfassende Wärmeausstattung meiner arktischen Kleidung. Es ist schon hell und der Schnee knarzt bei jeder Bewegung. Die himmlische Ruhe stören nur die Schlittenhunde, die mit weinerlichen Gebell auf sich aufmerksam machen. Oder wittern sie nur frische Beute? Ich entferne mich nicht weit von der Eingangstür des Hauses.
Vor dem Checkout müssen im Old Camp die Betten selbst abgezogen werden - wir kommen uns vor wie in einer Jugendherberge. Ähnlich sieht beim Frühstück aus. Es gibt nur zwei große Tische, nicht so groß wie Putins - aber doch groß, an dem alle Gäste sitzen und essen. Das finde ich eigentlich sehr schön, da ja alle Anwesenden ein bisschen verrückt sein müssen um bei diesen Temperaturen hierher zu kommen, anstatt am warmen Ofen zu sitzen. Was ich sagen will, man kann ziemlich sicher sein, hier auf keine Klientel der Ballermannfraktion zu treffen.

Die Tische füllen sich 7:30 Uhr sehr schnell, Thermohosen bestimmen das Bild der aktuellen nordischen Haute Couture. Es gibt Kaffee oder Tee sowie ganz frisches Brot, Käse und Marmelade. Das große Käsestück steht dabei hochkant auf einem Rondell und mit rotierenden Bewegungen kann Scheibe für Scheibe abgeschnitten werden. Dabei wird der Käse langsam nach oben gefahren, solange bis er alle ist. Tolle Erfindung, kommt bei mir gleich nach den japanischen Bierschenkautomaten und dem Sollbruchstellenerzeuger für gekochte Eier.
Das frische Brot schmeckt ausgezeichnet, durch den langen Aufenthalt gestern an der frischen Luft, haben wir Bärenhunger. Die anderen Gäste wohl auch und so ist der Käse schnell aufgegessen und man verlangt nach Nachschub.
Zum Abschluss bringen wir unser Geschirr in die Küche und stellen alles in den Geschirrspüler. Ist ja wie zu Hause.
Pünktlich 8:00 Uhr startet unser Transfer zum International Airport Kangerlussuaq. Nach sechs Minuten kommen wir an, laden unser Gepäck aus und begeben uns in die Empfangshalle. Beide Counter sind besetzt und nach zwei Minuten sind wir eingecheckt. "Gate 1", sagt die freundliche Dame am Counter und kann sich das Lachen nicht verkneifen. Gate 1 befindet sich hinter uns, ca. 20 Meter entfernt. Es ist hier das einzige.

Der Souvenirshop öffnet just in dem Moment, in dem wir den Wartebereich betreten. Grund für uns, ihm einen Besuch abzustatten. Es gibt einige handgemachte Figuren die uns gefallen, aber wir wollen erst einmal die Lage in Ilulissat sondieren, ehe wir auf Shoppingtour gehen.
Der Flughafen ist gleichzeitig ein Hotel und die angrenzte Cafeteria schon gut mit Frühstücksgästen gefüllt. 120 DDK kostet das
und es sieht ganz gut aus. Auf den ersten Blick.
Heute starten hier zehn Flüge, vier am Vormittag. Sie gehen entweder nach Nuuk, in die Hauptstadt oder nach Ilulissat. Geflogen wird mit kleinen Propellermaschinen, die alle mit dem stechenden Rot von Air Greenland versehen sind.


Es gibt keine Sicherheitskontrollen, sämtliche Getränke können mit an Bord genommen werden. Nach dem Boarding gehen wir die wenigen Meter über die Rollbahn zum Flieger und steigen ein. Wider anderslautenden Berichten, gibt es sehr wohl für jeden Passagier einen festen Sitzplatz. Wir okkupieren die ganze Reihe 7, somit ist sichergestellt, das einer von uns auf der rechten Seite, die den besten Blick bei der Landung bieten soll, sitzt. Wie viel Passagiere wohl Platz im Flieger finden.

Nach dem Einstieg wissen wir es. Wir sitzen in der letzten Reihe. 28 Passagier haben also Platz, allerdings ist jede zweite Reihe mit Proviant vollgestellt, so dass sich die heutige Kapazität deutlich verringert.
Pünktlich starten wir Richtung Norden. Leider ist es sehr wolkig, so dass wir nur beim Start und der Landung freie Sicht haben. Der Flug dauert 45 Minuten, zwischendurch wird von der freundlichen Stewardess noch Wasser, Kaffee oder Tee verteilt.

Beim Landeanflug stellen wir fest, dass sowohl der rechte, als auch der linke Ausblick wunderschöne Aussichten bereithält. Riesige Eisschollen treiben orientierungslos auf dem Meer herum, das von riesigen Eisbergen flankiert wird.



Auch heute ist der Landeanflug viel zu kurz, wegen mir könnten wir gern noch eine Rund drehen.
Der Flughafen in Ilulissat ist nochmal etwas kleiner als der in Kangerlussuaq. Dafür hart er ein moderneres Gepäckband. Hier können die Koffer wenigstens im Kreis fahren. Dafür ist es kürzer.

Unsere Koffer kommen heute gleich am Anfang. Nach fünf Minuten ist alles erledigt. Nur Tobi ist nicht zu finden. Er raucht.
Jannik befindet sich direkt am Ausgang der Gepäckabfertigung. Ich hatte ihn schon die ganze Zeit gesehen, dachte aber nicht, dass er es ist. Auf seinen Bildern auf der Webseite sah er 30 Jahre jünger aus. Aber jetzt sprechen wir uns zeitgleich an und freuen uns, uns gefunden zu haben.
Wir laden sie Sachen in seinen Suzuki SUV und machen uns auf den Weg in die Stadt. Sie ist fünf Kilometer vom Flughafen entfernt und führt zu Beginn erst einmal an den Fjorden entlang. Hier liegt bedeutend mehr Schnee als in Kangerlussuaq, neben der Straße sind beidseitig große Berge der weißen Masse durch die Schneepflüge aufgeschoben, wir fahren quasi in einem Schneekorridor nach Ilulissat.
Wir quatschen in einem sprachlichen Gemenge zwischen Dänisch und Englisch und sind uns gleich sympathisch. Wir lachen viel, Jannik erzählt von seiner Stadt und als wir diese erreichen, dreht er noch eine Runde durch die Straßen und zeigt uns die wichtigsten neuralgischen Punkte.
Am Haus angekommen, sehen wir zunächst eine lange Holztreppe die zur Eingangstür führt. Von der Straße aus führt sie nach unten, aber die müssen wir ja auch irgendwann einmal auch wieder hoch laufen. Ich überlege, wie ich mir am besten eine Treppensteigeunzulänglichkeit erschwindeln kann. Mir fällt keine ein. Bis jetzt.

Die Wohnung ist toll und ausreichend groß für uns. Es gibt eine voll ausgestattete Küche mit Küchentisch, Bad mit Waschmaschine, ein Wohnzimmer mit Terrasse und Blick auf den Fjord sowie drei Schlafzimmer.


Einzig die Durchgangshöhe zu den einzelnen Räumen ist begrenzt. Ein Helm wäre das angebracht. An Mangel daran hängt Heidi Strümpfe an den Rahmen, was Tobias allerdings nicht abhält wieder mit dem Kopf gegen das Holz laufen.
"Ich gucke doch nicht nach oben, wenn ich dir Stufen hoch gehe!" ist seine lapidare Antwort. Tja, sollte man aber tun sage ich und kühle danach meine Stirn.
Wir packen aus, richten uns ein und gehen danach einkaufen. Jannik erzählte vorher, dass das Versorgungsschiff nicht eingetroffen sei, da es wegen zu starken Eis nicht auslaufen konnte. Jetzt sähe es in den Supermärkten wie in Russland aus.
Na ja, so schlimm ist es nicht, aber das Angebot, vor allen Dingen an frischen Produkten ist sehr ausgedünnt. Wir arbeiten unseren Einkaufszettel ab, das meiste können wir finden, einige Sachen sind schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Heißt, auf Frischmilch, Käse und Eier müssen wir erst einmal verzichten.

Das Gemüse ist seht teuer und in einer Qualität die bei uns im Abfall landen würde. Das Fleisch- und Fischangebot ist allerdings riesig, sei es Frischware oder Tiefkühlkost. Wir decken uns für die nächsten drei Tage mit Lebensmitteln und Getränken und begeben uns mit vier vollgepackten Rucksäcken wieder zur Unterkunft. Mit im Gepäck - frisches Walfleisch.

Nach einer kurzen Pause gönnen wir uns eine Zwischenmahlzeit - den Wal, Tobi macht sich Pommes. Der Wal schmeckt mir wunderbar, eine Mischung auf Rinderfilet und Meeresalgen. Daran kann ich mich gewöhnen, preislich liegt er bei ca. 11€/kg.

Heidi hat es beim Transport der Waren wieder einmal geschafft, einen alten, nicht mehr genehmen Gegenstand bewusst zu zerstören. Im Urlaub ist ja die geeignete Zeit sich Ersatz zu besorgen. Sie packt ihren Rucksack bewusst so voll, das ein Trageriemen reißt. Also begeben wir uns nachmittags noch einmal in die Stadt um nach einem neuen Teil Ausschau zu halten. Leider finden wir keinen geeignetes Äquivalent, so dass wir unverrichteter Dinge wieder den Heimweg antreten.

Vorher waren wir jedoch am Hafen und haben die Anlandung der Fischer von Royal Greenland beobachtet. Hier können wir täglich ab 13:00 Uhr Fisch von den lokalen Fischern kaufen. Gut zu wissen.


Die Straßen sind teilweise sehr rutschig. Den Grönländern macht das nichts aus, ihre Schuhe haben Profilen ähnlich die eines Trucks. Zusätzlich kann man sich aber auch Spikes oder Gumminoppen kaufe, die man unter den Schuhen anbringen kann. Eine gute Idee.

Eigentlich wollten wir noch Abendessen zubereiten, aber nach dem großen Frühstück und unserem Mittagssnack sind wir noch so satt, dass wir nur noch meinen für gestern geplanten Sekt trinken, ein paar Erdnüsse essen und gegen 20:00 Uhr ins Bett gehen.

Morgen wird ja wieder ein anstrengender tag, vor allen Dingen, wenn man schon 3:00 Uhr wach ist.
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