Sizdah Be-Dar
- Holger Schweitzberger

- 19. Apr. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juli 2023
02. April Der heutige Tag steht ganz im Zeichen von Sizdah Be-Dar, dem Tag der Natur. Es ist der dreizehnte Tag nach dem persischen Neujahrsfest Nowruz. An diesem Tag, verlassen die Menschen ihre Häuser und zelebrieren zusammen mit der ganze Familie und Freunden die Verbundenheit mit der Natur.
Sizdah Be-Dar bedeutet, sich des Dreizehnten zu entledigen, da die Zahl 13 auch im iranischen Kulturkreis als Unglückszahl und Symbol des Chaos angesehen wird. Dem zufolge muss aber im Straßenverkehr immer irgendein dreizehnter sein.
Goldfische, die man sich zu Nowruz zugelegt hat, werden dem Fluss übergeben und in die Freiheit entlassen. Auch die aufgekeimten Sabzeh (Weizensprossen), die zuvor den Nowruz Tisch bedecken, werden in den Fluss geworfen, um den Kreis des Lebens zu symbolisieren. Die Sabzeh haben während des Nowruz-Festes die Funktion, alle Krankheiten, Schmerzen und Unglück in sich aufzusaugen.
Wir sind gespannt, was uns heute auf den Straßen, besonders aber am Zayandeh oder auf dem Naghsh-e Jahan erwartet.
Bevor wir uns aber ins Getümmel stürzen, wollen wir die Sheikh Lotfollah Moschee besuchen. Sie befindet sich auf dem Naghsh-e Jahan, vis-a-vis des Ali-Qapu-Palasts.
Beim Frühstück unterhalten wir uns mit einem Ehepaar aus Australien, wir erzählen ihnen, dass heute Feiertag ist und sicher eine ganz spezielle Stimmung in der Stadt, besonders aber am Fluss oder in den Parks ist.
Wir sind 9:00 Uhr auf dem Naghsh-e Jahan, es ist noch richtig leer und wir sind die ersten in der Sheikh Lotfollah Moschee. Auch hier kostet der Eintritt, wie fast überall 200.000 Rial pro Person. Wir betreten das Innere der Moschee.
Ein riesiger, prachtvoller Raum, der mit dem hier üblichen blauen Mosaik verziert ist und über dem eine ebenso prachtvolle Kuppel thront. Wir wollen danach den Innenhof erkunden, aber siehe da - es gibt gar keinen.
Enttäuscht verlassen wir die Moschee - wir haben wahrscheinlich schon so viele interessante Bauwerke besichtigt, dass dieses hier uns nicht sonderlich anspricht.
Dann gehen wir eben noch einmal in die Jame-Abassi-Mosque, die hat uns schon vorgestern sehr gefallen, aber da haben wir ja keine blauen Himmel gehabt. Auch hier ist es um diese Zeit noch schön leer. Wir haben die gesamte Moschee fast für uns allein und die Sonnenstrahlen sorgen für prächtige Schattenspiele.
Auch ist der Mittelpunkt der Moschee heute menschenleer, so dass wir diesmal das Echo ausprobieren können. Heidi stellt sich in die Mitte auf den dafür vorgesehenen schwarzen Stein und gibt seltsame Töne von sich. Wir lauschen dem Hall, der durch die beiden übereinander gebauten Kuppeln erzeugt wird. Danach kommt eine kleine Gruppe mit einem Guide. Dieser schnippt nur gegen ein Blatt Papier und auch hier wird der Ton laut und mehrfach wieder gegeben. Einfach genial. Zum Schluss kommen drei junge Männer hinzu und einer von ihnen singt eine muslimische Sure. Wir haben Gänsehaut, so schön klingt es.
Der Emam Platz füllt sich langsam, viele Geschäfte im Basar haben aber heute geschlossen oder schließen bereits Mittags. Nach langer Suche finden wir auch das Geschäft, in dem wir Safran kaufen wollen.
Wir lassen uns von dem Verkäufer beraten, welche Qualität für unsere Zwecke am geeignetsten ist und erstehen schließlich 10 Gramm. Handeln kann man über den Preis erst ab einem Gewicht von einem Kilo. Aber auch so ist der Safran bedeutend preiswerter als in Deutschland. Iran gilt als der Hauptlieferant von Safran, mit einem weltweiten Marktanteil von über 90%. Um gute Safranqualität zu erhalten, wird empfohlen, ihn nur in zertifizierten Geschäften zu kaufen. Auf den Basaren haben wir ihn auch nie gesehen.
Wir bringen unsere Beute ins Hotel und fahren anschließend mit dem Taxi zur schon bekannten Pol-e Chādschu. Hier ist bereits das Volksfest in vollem Gange. Was wir hier erleben, verschlägt uns wieder einmal die Sprache.
Jeder, aber auch jeder freie Platz wird genutzt, um Decken und Teppiche auszubreiten und sich darauf nieder zu lassen. Selbst auf Verkehrsinseln können wir das beobachten. Jetzt sind wir aber am Fluss, überall schwimmen Sabzeh, die sich in kleinen Schalen befinden, Goldfische können wir nicht erkennen. Das liegt vielleicht auch an den Rauchwolken, die überall entlang ziehen.
Jede Familie hat mindestens einen Holzkohle-Grill, eine Wasserpfeife und einen Teekessel dabei. Meist aber mehr - sicher ist sicher. Die Frauen spießen das Fleisch auf die Kebapspieße, die Männer übernehmen den Zubereitungspart. Dabei hocken sie vor den ca. 20 cm hohen Grillgeräten, fächeln mit einem Wedel das Feuer an und grillen danach das Fleisch.
Meist ist es Hühnchen, dazu gibt es Unmengen Reis, Salate, Dough oder Coca Cola. Alle lachen, sind fröhlich und die Kinder baden im Wasser. Wir können einige Einladungen ablehnen, dann aber sitzen wir bei einer Familie und werden mit Fleisch, Brot, Salat und Getränken bewirtet.
Was heißt bewirtet, immer wieder kommen neue, leckere Fleischladungen. Keiner spricht englisch, wir können nur Danke auf Farsi sagen, trotzdem verständigen wir uns mit Händen, Füßen und meiner App. Ich sitze wahrscheinlich neben dem Familienoberhaupt.
Unentwegt erzählt er lustige Sachen. Also, das denke ich, lachen doch alle Umsitzenden - bis auf Heidi und mich - immer herzhaft. Dann rede ich eben auch auf deutsch auf ihn ein, damit er mal merkt wie das ist. Wir lachen viel, essen noch mehr und ein Mädchen mit kleinen Englischkenntnissen übernimmt die Rolle der Dolmetscherin.
Es stellt sich heraus, das im Umkreis von zehn Teppichen, alles Mitglieder dieser Großfamilie sitzen. Alle winken uns zu und unser Gastgeber freut sich diebisch, wenn er wieder ein neues Familienmitglied aus dem Hut zaubert.
Nach einer gefühlten Ewigkeit verabschieden wir uns. Zum Glück haben wir einen Berliner Bären dabei, den wir hier verschenken können.
Wir laufen noch ca. eine Stunde die Flussufer auf und ab und beobachten beeindruckt das lebhafte Treiben. In Worte ist es einfach nicht zu fassen.
Wir haben noch ein Gespräch mit einem Mann, der mit seiner Mutter spazieren geht. Erst laufen sie an uns vorbei, dann siegt die Neugier und er spricht uns an. Er ist sehr an der Ökonomie, dem Dieselfahrverbot in Deutschland und den kommenden Wahlen in Europa interessiert.
Den Berliner Flughafen spricht er, sicher aus Respekt und Anstand, nicht an. Er hofft, das sich die Situation im Iran bald ändert, ein Land in dem die Korruption unter den Herrschenden weit verbreitet ist.
Auf die Frage, warum die Bevölkerung dagegen nichts unternimmt, erwidert er dass diese Personen sofort ermordet werden.
Auf dem Rückweg essen wir noch ein Eis und fahren mit dem Taxi zu Emam Square. Der Taxifahrer hat dabei die Heizung auf voller Stufe und sein Fenster herunter gelassen.
Als er sieht, wie wir zerfließen, öffnet er auch meine Seite. Die Heizung bleibt unberührt.
Auch auf dem Emam Platz ist jede freie Stelle besetzt. Die Pferdekutschen rasen wie bei einem Rennen um die Wette, ja sie überholen sich sogar. Die flanierenden Esfahaner werden ignoriert.
Nach einer Weile zieht es uns dann ins Hotel, wo wir noch einen Tee trinken und dann ins Bett fallen. Auf dem Weg dahin werden wir von einem keuchenden jungen Mann angesprochen. Er ist hinter uns her gerannt, um mit uns zu sprechen und zu erzählen, dass er in England - Cambridge - studieren will. Unglaublich.
Gegen 20:30 Uhr starten wir noch einmal zum Emam Square. Wir wollen ihn ein letztes Mal in seiner vollen Illumination bewundern. Auf dem Weg dorthin treffen wir die australischen Gäste. Sie erzählen die gleichen Erfahrungen vom heutigen Tag wie wir. Sie wurden auch von einer Familie eingeladen, dessen Größe sich später auf 20 Personen erweiterte.
Wir kaufen noch ein Souvenir - einen im typischen Isfahan-Blau bemalten Kupferteller. Für an die Wand :-)
Nach einem Schoko-Melone-Safran-Granatapfel-Eis und einer darauf folgenden Pizza rollen wir heimwärts ins Gashr Monshi.
Morgen fahren wir 11:45 Uhr mit dem Bus nach Yazd. Wir können also ausschlafen und ganz gemütlich frühstücken.







































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