Noh Theater
- Holger Schweitzberger

- 18. März 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Juli 2023
17. Juni Guten Morgen Osaka, der Blick aus dem Fenster verheißt Gutes. Es regnet nicht. Im Gegenteil es scheint die Sonne. Wir genießen ein letztes Mal das tolle Frühstück, es gibt auch einige Änderungen in der Auswahl der Gerichte und das ist sicher auch gut so, denn wenn man zwei Wochen immer das Gleiche bekommt, wird es auch langweilig. Wir schlagen uns noch einmal durch das gesamte Angebot und rollen danach zum Check-Out.
Unseren großen Koffer verschicken wir wieder und zwar so, dass er am 22. Juni im Airport Hotel Tokio ankommt. In Japan überhaupt kein Problem. Man muss nur nachweisen, dass man ein Zimmer am Ankunftsort gebucht hat und nach einem kurzen Telefonat mit demselben Hotel erhält man seine Bestätigung. Da macht es auch nichts, wenn das Gepäck irgendwo ein paar Tage verweilen muss. Der Preis dafür ist ungefähr immer der Gleiche. €11 zahlen wir gern für diesen Super Service.
Am Bahnhof Shin-Osaka holen wir uns unsere Reservierung für den Shinkansen Hikari 10:44 Uhr nach Tokio. Wir haben heute den ersten Bahnangestellten, bei dem sich die Englischkenntnisse in Grenzen halten. Angeblich gibt es im gesamten Zug keine Fenster - sagt er. Aha.
Egal, wir nehmen was er uns gibt. Wir gehen ja eh zu den Wagen, die keine Reservierung benötigen. Zusätzlich lassen wir uns aber gleich noch unsere Reservierung für den morgigen Narita Express von Shinjuku zum Terminal 1 geben. In Shinjuku haben wir nämlich keine Lust, uns durch das Gewühl zu drängeln und ewig am Schalter anzustehen.
Das klappt und wir eilen zum Bahnsteig um einen günstigen Einsteigeplatz zu ergattern. Fünf Minuten später kommt unser Zug und wir besetzen unseren Zweierplatz Wagen 4, Reihe 14 AB. Der gesamte Zug ist aber auch wirklich voll. Man merkt, dass das Wochenende naht.
Nach 169 Minuten erreichen wir Shinagawa. Mit der Yamanote Line geht es erst nach Shinjuku, von dort zwei Stationen mit der U-Bahn zum Hotel. Wie so oft stimmen die Stadtpläne überhaupt nicht mit der Realität überein.
Laut Plan geht der Ausgang der U-Bahn geradeaus. Nur es geht nicht geradeaus. Nur rechts oder links. Zum Glück kommt ein freundlicher, englisch sprechender Japaner und fragt uns nach unseren Sorgen.
»Wollen Sie zum Hotel Citalines? Dann müssen sie aber so entlang laufen.« Er meint noch, dass sich viele Leute hier verlaufen. Wir kommen Dank seiner Hilfe an. Die Damen an der Rezeption sind zum ersten Mal in Japan nicht freundlich.
Gelangweilt fragt mich die Dame im orangen Citalinedress, ob ich eine Buchungsbestätigung habe. Ich frage ob sie mich nicht im System findet. Sie wiederholt ihre Frage, ich meine auch.
Langsam glaube ich, ihre Englischkenntnisse sind nicht so, wie die von den Rezeptionsmitarbeiterinnen der anderen Hotels. Ich finde meine Reservierung und es stellt sich heraus, dass sich ein Hotel der gleichen Kette auch in Shinjuku Central befindet.
Auf meine Frage, wie wir dort am schnellsten und ohne langen Fußmarsch hinkommen, malt sie uns auf einen Stadtplan ein paar Kreise. Zum Glück kommt noch eine andere Mitarbeiterin, die zu mindestens die U-Bahn Station und den entsprechenden Ausgang nennen kann.
Nach dreißig Minuten kommen wir an. Das liegt aber primär daran, dass auf dem Bahnhof Shinjuku die Ausschilderung derart miserabel ist, dass wir nicht erkennen können, in welche Richtung wir laufen müssen.
Nach ausgiebigen Support der städtischen Mitarbeiter, kommen wir schließlich doch in unserem Hotel an. Wir checken ein und müssen auch gleich wieder los. 18:30 Uhr beginnt das Noh-Theater, für das wir im Vorfeld schon Tickets besorgt haben.
Wir haben das gesamte Stück ins Deutsche übersetzt und wissen im Groben worum es geht. 549 Plätze fasst das Theater. Es ist fast ausverkauft. Ich denke, dass nur Nerds hier versammelt sind, denn es gibt kaum Paare, die sich das Stück ansehen Die meisten Zuschauer kommen allein. Vielleicht haben die Stücke schon Ehen zerstört?
Im Saal herrscht absolute Ruhe, auch schon lange Zeit vor dem eigentlichen Beginn. Es darf nicht gegessen, geredet oder fotografiert werden. Nur schlafen darf man, das machen so einige der Zuschauer im Laufe der Veranstaltung.
Nun zum Stück oder besser gesagt zum Ablauf. Was hier den Schauspielern an Körperbeherrschung abverlangt wird ist schon beachtlich. Das ganze Stück wird quasi in Zeitlupe aufgeführt, die Darsteller heben nie die Füße, sie streifen wie Michael Jackson am Boden entlang.
Manche verändern 40 Minuten ihre Pose nicht. Vieles erinnert an Hape Kerkelings Hurz oder an Einer flog übers Kuckucksnest. Zum Glück wissen wir, worum es in dem Stück geht, die 90 Minuten werden auch komplett, ohne Pause durchgespielt.
Ich würde mir allerdings ein Stück erst wieder angucken, wenn ich noch mehr Hintergrundinformationen zum Noh-Theater hätte. Für heute war es eine Erfahrung, mehr aber auch nicht.
Zurück in Shinjuku kaufen wir noch ein paar Hähnchenspieße und legen uns ins Bett, morgen müssen wir schon um 5:00 Uhr aufstehen, dann geht es nach Hongkong.



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